Mit Informationen von @FBMri
Vor einigen Monaten haben wir in der Flaschenpost über den Wahlsieg eines Parteienbündnisses gegenüber der CDU berichtet. In Greifswald konnte sich der auch von Piraten aufgestellte Stefan Fassbinder (Bündnis 90/Die Grünen) gegen Jörg Hochheim von der CDU durchsetzen. Besonders war dabei nicht nur, dass in Angela Merkels Wahlkreis die CDU nach 25 Jahren Dauerregentschaft eine Schlappe hinnehmen musste, das Ergebnis war außerdem extrem knapp. Nur fünfzehn Stimmen (0,1%) trennten beide Kandidaten in der Stichwahl voneinander. Am Wahlabend wurde darum drei Mal nachgezählt und letztlich hat der CDU Kandidat seine Niederlage eingestanden. Trotzdem regiert in Greifswald weiterhin ein CDU Bürgermeister – es ist aber immer noch der alte. Gegen das Ergebnis der Stichwahl haben kurz vor Ablauf der Frist drei Bürger Einspruch erhoben. Behauptet wird, dass ein Wahllokal zeitweilig nicht zugänglich gewesen sei. Dies ist mittlerweile auch unumstritten. Ob dieser Umstand jedoch das Wahlergebnis beeinflusst haben kann, wurde zur Streitfrage.
Dies zu klären ist die Aufgabe eines extra eingesetzten Wahlprüfungsausschusses, in dem @milosrod uns Piraten vertritt. Der Ausschuss hat nun vornehmlich die Aufgabe herauszufinden, wie lange die Tür wohl verschlossen war. Für die Greifswalder Piraten ist die Sache klar: Die Tür hätte sehr lange verschlossen sein müssen, um 15 Stimmen für die CDU zu verhindern. Mitnichten ist ja jeder Wähler für die CDU. Vermutlich hätten dutzende Menschen vor verschlossener Tür stehen müssen, um das Ergebnis tatsächlich zu kippen. Das kann aber nicht der Fall gewesen sein. Bis heute hat sich niemand gemeldet, der tatsächlich nicht wählen konnte. Auch der Beschwerdeführer Norman Kohnert ist einfach am Nachmittag wieder gekommen und hat seine Stimme abgegeben. Das war ihm sicher auch wichtig – man darf vermuten, dass Kohnert, dessen Bruder im benachbarten Karlsburg für die CDU Bürgermeister ist, der Partei selbst nahe steht.
Der Wahlprüfungsausschuss muss sich aber auch mit anderen Details befassen. Hätten Wähler, die vor verschlossener Tür standen, nicht einfach die Klingel drücken können? Hätte nicht jeder den Weg über den gut sichtbaren zweiten Eingang finden können? Und überhaupt brennt eine Frage unter den Nägeln: Warum war die Tür zu? Die Antwort darauf hat sich leicht finden lassen: Eine Fußmatte sollte die Tür offen halten. Selbstverständlich ließen sich die CDU-Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses bei einer Ortsbegehung die Gelegenheit nicht entgehen, selbst zu begutachten, wie fest man eigentlich ziehen muss, um so eine verkeilte Fußmatte unter einer Tür herauszuziehen. So entwickelt sich die Greifswalder Oberbürgermeisterwahl im Nachgang zu Posse. Die Fußmatte wird dadurch zum Kultgegenstand. Auf Facebook hat sie bereits mehr Fans als die Vorpommern-CDU. Das ist vermutlich auch ein realistisches Bild der Lage, denn viele Greifswalder sind von der Machtklebrigkeit der CDU genervt.
So lustig das klingen mag, könnte es ernste Folgen haben. Das Kommunalwahlgesetz in Mecklenburg-Vorpommern sieht vor, dass die Wahl zu wiederholen ist, wenn Unregelmäßigkeiten das Ergebnis beeinflusst haben können. Wie genau dieses „Können“ auszulegen ist, wird vielleicht tatsächlich früher oder später ein Gericht klären. Möglicherweise sieht ein Gericht eine aus praktischen Gründen als minimal zu betrachtende Wahrscheinlichkeit als hinreichenden Grund zur Wiederholung an. Die CDU jedenfalls hat schon mit Klagen gedroht, sollte sie keine Neuwahl bekommen.
Sollte es dazu kommen, steht man in Greifswald vor einem weiteren Problem: Die Wahl sollte laut Gesetz nur im Bezirk des betroffenen Wahllokals wiederholt werden. In Greifswald waren die Briefwahlbezirke jedoch nicht deckungsgleich zu den üblichen Wahlbezirken. Das wirft die Frage auf, welche Bürger bei einer möglichen Wiederholung erneut stimmberechtigt sein sollen: Haben Briefwähler auch eine weitere Chance oder dürfen sie nicht erneut entscheiden? Wenn sie, wie ihre direkten Nachbarn, noch mal wählen dürfen, darf ihre Stimme natürlich nicht doppelt zählen. Da die abgegebenen Stimmen in den Briefwahlbezirken jedoch nicht mehr trennbar sind, müssten somit alle Bezirke neu wählen, die sich einen Briefwahlbezirk teilen. Das beträfe dann auch solche, in denen kein Wahlfehler moniert wurde – das Kommunalwahlgesetz offenbart hier deutliche Mängel und kann in keinem Fall sauber eingehalten werden. Womöglich droht sogar eine Neuwahl im gesamten Stadtgebiet.
Sollte bis Ende Januar keine Lösung in Sicht sein, könnte das Greifswalder Hütchenspiel der Kommunalpolitik noch eine weitere Pointe parat haben. Der alte Bürgermeister darf nur für eine begrenzte Zeit im Amt bleiben. Anschließend muss die Bürgerschaft einen seiner zwei Vertreter als kommissarische Vertretung wählen. Einer der Vertreter ist der CDU Kandidat Hochheim, der dann über Umwege und ganz ohne Mehrheit plötzlich Bürgermeister wäre.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.