Der Sonntag in Hessen endete, ohne dass bei den Piraten Sektkorken knallten. Die Party fiel nicht wirklich ins Wasser, doch das Auszählen der Gemeinde-, Ortsbeirats- und Kreiswahlen (allgemein als Kommunalwahlen bezeichnet) ist aufwändig. Das Statistische Landesamt ging von Anfang an davon aus, dass die endgültigen Ergebnisse nicht vor dem Donnerstag vorliegen. Am Sonntagabend sollten nur die Stimmzettel erfasst werden, auf denen eine komplette Liste angekreuzt wurde. Die „kleinen“ Kandidaten mussten sich also in Geduld üben. Aufgrund der nicht vorhandenen 5%-Hürde bei Kommunalwahlen ging die Piraten jedoch davon aus, in zahlreichen Städte und Kreise Hessens in wenigen Wochen politisch mitgestalten zu können.
Nachdem Sonntag Mittag eine hohe Wahlbeteiligung gemeldet wurde, fiel die endgültige Zahl am Abend ernüchternd aus: Mit 37.3% lag der Wert noch unter den 42.4% der letzten Wahl.
Während einige Piraten die ersten Plakate schon wieder abhängten, wurden unter den orangenen Balken erste Zahlen eingeblendet. Zwischen 0% in Gießen und 3.9% in Offenbach war alles dabei. Für Kassel wurden 1.21% gemeldet, in Darmstadt stand der Zähler Sonntag Abend bei 1.6%. Ein langes Bangen gab es in Frankfurt. Dort verharrte die Zahl lange bei 0.8%, was bedenklich nah an den 0.6% liegt, die für den ersten Sitz im Römer notwendig sind.
Als Ministerpräsident Volker Bouffier verkündete, dass er die Kommunalwahlen nicht als Testwahl sieht, gerieten die Ergebnisse für die extrem rechten Parteien in den Fokus. Die AfD wurde mit durchschnittlich 18% drittstärkste Partei. Überall wo die AfD nicht antrat, holte das Original, die NPD, Wähler und Stimmen ab. Noch Ende Februar meldete die Hessenschau: Die einst starke NPD spielt kaum noch eine Rolle.
In Wetzlar widerlegten 10% der Wähler dies und machten ihre Kreuz bei der NPD. Die klassischen Erklärungsmuster einer hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit fehlender Perspektive passt nicht auf auf das NPD-Ergebnis von Wetzlar, wo die Arbeitslosenquote mit 5.6 Prozent etwas unter dem Bundesdurchschnitt von rund 6% liegt. Viel eher hatte sich die Maxime bestätigt, dass eine geringe Wahlbeteiligung extreme Parteien begünstigt. In Wetzlar gaben weniger als 20% der Wahlbeteiligten ihre Stimme ab.
Am Donnerstag standen dann die Ergebnisse für die Kandidaten der Piraten fest. In Hessen können mit den landesweit erzielen 0.7% insgesamt 16 Piraten in ein kommunales Parlament einziehen Mit dabei sind Piraten aus Gießen, Offenbach, Marburg, Kassel, Darmstadt und Frankfurt. Aus dem Stand heraus konnte aus dem Kreis Groß-Gerau Christian Greb mit 1.4% und im Schwalm-Eder-Kreis Marcel Duve mit 0.8% sich das Mandat für die Piratenpartei erstmalig sichern. Leider reichen die 1-2 Sitze nirgends, um eine eigenständige Fraktion zu stellen, allerdings laufen bereits Verhandlungen für Fraktionsgemeinschaften. Damit haben Piraten in Hessen Erfahrung. Bei der Wahl vor fünf Jahren wurden 31 Piraten gewählt. Wo es nicht für eine eigene Fraktion reichte, suchte und fand man Partner.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.
Na Micha,
wie sieht es aus? Irgendwo die 1% geknackt?
Wir sind mit 11-23% dabei, je nach Bundesland.
Wenn du irgendwann aufwachst und dir deine -Splitterpartei zu blöd wird, ist ein heller Kopf wie du bei uns immer herzlich willkommen. Du darfst auch gerne das Bollwerk gegen den Rechtruck sein, das kann nicht schaden – denn wir haben jetzt vom Wähler die Aufgabe übertragen bekommen ernsthafte, wirkungsvolle und seriöse Oppositionspolitik zu machen.
Für Genderblödsinn wird da zwar kein Raum sein, aber das ist ja glücklicherweise weniger dein Thema.
Also, gib dir einen Ruck – und nimm das Rettungsboot, solange du noch einen Faden Wasser unter dem Kiel hast.
Liebe Grüße!
Danke für das nette Angebot, aber lass mal. Wenn es mir darum ginge auf der Seite des Siegers zu stehen wäre ich FC Bayern Fan.
Aber Politik ist nunmal kein Fussballspiel, mir geht es um innere Überzeugungen. Kennst du die Forderungen des neuen AfD-Programms, das am 20. April auf den Tisch kommt? Von der Auflösung der EU (bleiben soll eine „Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner, lose verbundener Einzelstaaten“, also eine Art „Transeuropäischer Wirtschaftsraum“, in dem aber beispielsweise Spanien und Frankreich wieder Ausland wären und Menschen nicht frei reisen könnten), über gestrichener Hilfen für die, die dringend Hilfe benötigen (auch wem es dank eines auskömmlichen Einkommens wirtschaftlich gut geht sollte die Fähigkeit zum Mitgefühl und zur Hilfsbereitschaft nicht über Bord werfen) weiter über das Familienbild, das Recht zur Abtreibung, den Grenzen, dem Klimaschutz (Zitat: „Kohlendioxid ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.“ WTF?), der Atomenergie, der Sache mit den Staatsmedien bis zur Forderung „nicht therapierbare Alkohol- und Drogenabhängige sowie psychisch kranke Täter, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, sind nicht in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern in der Sicherungsverwahrung unterzubringen“ steht da viles drin, das sehr weit rückwärtsgewandt ist und eine erschreckende innere Kälte ausstrahlt.
Dazu kommt das, wofür die AfD schon heute steht. Damit meine ich nicht die „blendenden“ 11-23% bei den Wahlen heute, sondern die „schmutzig-braun“ geforderten Schüsse an der Grenze, an ausgesperrte oder bedrängte Journalisten, und den Schulterschluss mit Verschwörungstheoretikern und der Vorstellung „in Russland sei alles besser“.
Die Vorstellungen der AfD von heute und ihre Forderungen für ein Morgen das dem Vorgestern ähnelt zeigen mir, dass diese Partei keine „Alternative für Deutschland“ bringt sondern Deutschlands Untergang – als toleranten weltoffenen Staat liberaler Ausprägung. Die offene See wirkt auf mich deswegen verheissungsvoller als dieses vermeindliche Rettungsboot.