Es sind politische Unglücke, die Magdeburg, Stuttgart und Mainz heimsuchen. Die Wahl ging, aus der Sicht von Demokraten, so übel aus wie es (fast) nur denkbar ist: Piraten landen abgeschlagen bei den Sonstigen, während die AfD triumphiert.
In Sachsen-Anhalt fiel die Wahl für die Piraten gänzlich aus, in Baden-Württemberg konnten nicht überall genug Unterstützerunterschriften gesammelt werden, was dazu führte, dass wir nur in 39 von 70 Wahlkreisen angetreten konnten. Auf das gesamte Bundesland bezogen, machten dort 0.5% der Wähler ihr Kreuz bei uns. In Rheinland-Pfalz waren es 0.7%. Für sich genommen sind diese Zahlen erschreckend für eine Partei, die nach vorne schaut und Konzepte für eine Zukunft entwickelt, in der jeder einen Platz auf Augenhöhe zu anderen finden soll. Problematisch sind die Ergebnisse auch, da es bei weniger als 1% keine Gelder zur Parteienfinanzierung mehr gibt. Die drei Landesverbände mit Zahlerquoten zwischen 7% in Sachsen-Anhalt und 71% in Rheinland-Pfalz, müssen in Zukunft ohne staatliche Unterstützung auskommen.
Es rächt sich, dass CDU und SPD den Rechtspopulisten hinterhergelaufen sind. Am Ende wurde doch das Original gewählt. In Sachsen-Anhalt mit 24%, in Baden-Württemberg mit 15% und in Rheinland-Pfalz noch mit 12%. In den Parteizentralen von CDU und SPD wird in diesen Stunden deutlich, dass Populisten nicht mit Populismus zu schlagen sind. Im Konrad-Adenauer- und im Willy-Brand-Haus sollten die Parteioberen aufhören, die AfD und ihre Wähler zu beschimpfen und stattdessen eine Politik machen, die dafür sorgt, dass die AfD verschwindet. Das funktioniert nicht mit Aufrufen „Wählen Sie bitte nicht die AfD“ was zu sehr nach „Wählen Sie uns – wir machen weiter wie bisher“ klingt, sondern indem Sorgen ernst genommen werden. Sorgen um den Arbeitsplatz oder eine auskömmliche Rente. Sorgen vor Armut, einer vergifteten Umwelt und dem Gefühl „Die da oben machen ja doch was sie wollen“.
Einen Lichtblick bringt diese Wahl aber doch: Die Wahlbeteiligung lag höher als bei den vorherigen Wahlen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gaben je 72% (+6 bzw. 10 Prozentpunkte) der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, in Sachsen-Anhalt waren es 63% (+ 12 Prozentpunkte).
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.
Politische Unglücke?
Politische Unglücke, das klingt so, als sei da etwas über das Land hereingebrochen. Das ist nicht so, die Landtagswahlergebnisse waren weitgehend vorhersehbar, auch der Erfolg der AfD. Politische Unglücke, das klingt so, als hätte man es nicht beeinflussen können. Inder Tat, mit 0,7% kann man das nicht, aber auch das kann ja nicht ganz unerwartet gewesen sein. Landesweit hochgerechnet haben die PIRATEN bei der Kommunalwahl in Hessen am vorhergehenden Wochenende auch nicht mehr erreicht, in Bremen/Bremerhafen waren es zwar immerhin noch 1,2%, aber auch das ist nichts, mir dem man etwas bewirken könnte. Womit denn auch? Wo ist den das Thema, das man mit den PIRATEN identifizieren kann? Und die Leute dazu? Das Thema, das die PIRATEN politisch verankern könnten, nämlich gerechte Teilhabe, verstehen sie nicht.
«Problematisch sind die Ergebnisse auch, da es bei weniger als 1% keine Gelder zur Parteienfinanzierung mehr gibt.» Das klingt in der Tat problematisch. Kommentatoren haben darauf hingewiesen, dass die AfD zum einen eine populistisch aufgeheizte Frage bedient, aber ansonsten eine FDP-Wirtschafts- und Sozialpolitik vertritt, und damit wohl kaum jemals etwas für diejenigen zum Vorteil tun wird, die sie jetzt gewählt haben, und ansonsten nur auf die gut dotierten Parlamentssitze aus ist. Staatsknete auch das, wenn es in erster Linie darum geht.
Es ist nicht so, dass die SPCDU der AfD hinterherläuft, sondern die SPD der Merkel-Linie der CDU, die aber in der Flüchtlingsfrage in gewissem Maße gespalten ist und ihre demokratische Gegenposition in der Schwesterpartei CSU findet. Die AfD rennt der Staatsknete hinterher, und die PIRATEN auch?
Ich stimme dieser Argumentation zu. Die Parteien brauchen viel zu lang, um Probleme zu erkennen und rechtzeitig zu lösen. Einwanderungsgesetzt ? Wie viele Jahrzehnte warten wir darauf obwohl klar ist, dass die deutsche Bevölkerung langsam ausstirbt.
Verteiditungspolitik ? Die gibt es nicht mehr. Wie lange könnten 100 000 schlecht ausgerüstete deutsche Soldaten Deutschland verteidigen ? 1 Tag oder weniger ?
Ausbildungssysteme ? Durch andauwernde „Reformen“ ist vieles schlechter geworden. Und wegen des seit Jahrzehnten andauernden Lehrermangels fallen zu viele Unterrichtsstunden aus. Kann denn kein Kultusminister mehr das kleine Einmal Eins, so dass er auf Basis der Geburtenzahlen berechnen kann, wie viele Schüler in einigen Jahren unterrichtet werden müssen ?
Deutschland bestitzt keine Rohstoffe und das einzige Kapital, das es hat – gut ausgebildete Menschen – wird systematisch abgewirtschaftet.
Die SPD hat mit den „Hartz 4“ Reformen gezeigt, dass sie kein Herz für die Arbeiter hat und die FDP hat mit dem Empfang der 1 Million Euro Parteispende vom Hoteliergewerbe bewiesen, dass sie korroupt ist. Beide Parteien haben damit das Vertrauen ihrer Wähler für Jahrzehnte verloren.
Die Grünen ? Sie bestitzen nicht ausreichend viele gute Mitglieder, die politische Ämter bekleiden könnten.
Die Piraten ? Die sind zu sehr verspielt. Das Internet ist ihr Sandspielkasten.
Die Linken ? Da besteht der Verdacht, dass es noch kommunistische Strippenzieher im Hintergrund gibt.
Bei dieser enttäuschenden Parteienlandschaft in Deutschland ist es leicht für die populistischen Rattenfänger leichtgläubige Menschen mit ihren hohlen Phrasen zu beeindrucken.
NIcht immer darauf schielen, in Ämter gewählt zu werden, sondern erst einmal beweisen, daas man fähig ist, Probleme zu erkennen und zu lösen.
Nein zu fracking.
Nein zum Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada.
Ja zum Ausbau der Energienetzwerke. Bundesländer wie Bayern, die darauf bestehen, dass unterirdische Kabel verlegt werden sollen, die wesentlich teurer sind, sollten einfach aus dem Netzwerk mit billigerem Umweltstrom ausgeschlossen werden. Solidaritätsgemeinschaft bedeutet auch, dass jedes Bundesland die Lasten fair mitträgt.
Ja zum Abbau der ausufernden Gesetze und Behördenvorschriften, die den Bürger immer mehr gängeln und die bürgerlichen Freiheiten abschaffen.
Unsere Gesellsachaft muss endlich modernisiert werden.
Strafgesetze, die nicht viel besser sind als im Mittelalter. Was soll der Unsinn, einen Dieb zum Beispiel für viele Jahre wegzusperren und seine sozialen Kontakte zu vernichten ?
Alle Gesetze müssen auf den Prüfstand und von dem üblen Erbe aus den Zeiten der Monarchie und der Diktatur gereinigt werden.
Es gibt also einen Haufen Arbeit, aber welche Partei ist bereit, sie zu tun ?
Nein Michael – unvorhersehbar wie Unglücke waren diese Wahlergebnisse, wie schon Jürgen richtig anmerkte, definitiv nicht. Sie resultieren vielmehr aus einer – nennen wir es vornehm – ungünstigen politischen Gesamtkonstellation gepaart mit der sowohl institutionellen wie auch inhaltlichen Schwäche der PP. Die institutionelle Schwäche wird sich mit dem teilweisen Wegfall der Parteienfinanzierung weiter verschärfen. Ist leider so Jürgen – auch Piraten müssen dem schnöden Mammon hinterherlaufen, um agieren zu können.
Was die inhaltliche Schwäche angeht, zitiere ich den Jürgen einfach mal:
„Das Thema, das die PIRATEN politisch verankern könnten, nämlich gerechte Teilhabe, verstehen sie nicht.“ Also zumindest nicht alle. Und die, die dieses Thema pushen wollen, werden gern mal als Quertreiber und „Verräter an den Kernthemen“ abqualifiziert. Ich spreche da aus eigener Erfahrung…
Dabei wäre es so einfach, VIELE Themen koexistieren zu lassen, indem man sich dort aktiv einbringt, wo man Ahnung hat und ansonsten die anderen das MACHEN LASSEN, von denen die glauben Ahnung zu haben. Einzige Grenze: Alle müssen sich auf dem Boden des Parteiprogramms bewegen. Oder noch anders: Alles, was nicht definitiv schädlich ist, einfach mal TOLERIEREN.
Leider ist es nach wie vor so, dass wir es schicker finden, uns gegenseitig über Details zu streiten und mit Verachtung für „uninteressante“ Themen zu strafen.
Ich selbst stehe zu den Kernthemen, befürchte aber, wenn wir die PP weiterhin auf die Partei des Digitalen Wandels beschränken, kriegen wir perspektivisch keinen Fuß mehr auf den Boden. Wer das immer noch nicht wahrhaben will – s. aktuelle Wahlergebnisse.
Michael spricht drei Probleme an, die auf der Hand liegen. 1. AfD, 2. Ergebnis Piraten, 3. Finanzen Piraten. Meine Meinung zu 1.) ich glaube nicht, dass die AfD gewählt wurde aus Angst um Arbeitsplätze oder Renten. Es gibt einfach eine ganze Menge Leute, die nicht möchten, dass Flüchtlinge in größerer Zahl nach DE kommen. Diese Meinung ist zwar aus meiner Sicht egoistisch und unmenschlich, aber im Rahmen der Meinungsfreiheit legitim. Schade, dass es so viele sind. Da helfen Diskussionen. Und ein Kennenlernen mit Flüchtlingen. Daher fände ich es gut, wenn Haushalte nennenswerte finanzielle Leistungen erhalten würden, wenn sie Flüchlinge in ihre Wohnungen aufnehmen. Meine Meinung zu 2.) Wir sollten uns auf ein- zwei Themen in der Kommunikation konzentrieren. z.B. Freies WLAN in allen Städten und Dörfern und BGE. Erfolge von neuen Parteien sind anfangs Ein-Themen-Erfolge (AfD=Flüchtlinge, Grüne=Umwelt, Linkspartei im Westen = Agende2010). Mehr als eine Ein-Themen-Assoziation kann sich zunächst keiner merken. zu 3.) Eine Zahlerquote von 7% ist total unsolidarisch. Als Zähler sollten auch die gelten, die aus sozialen Gründen einen Beitrag von 0 bezahlen. Auf die Nichtzahler müssen wir meiner Ansicht nach verzichten. Das Interesse an der Partei scheint ja Null zu sein. Und es auch eine Gerechtigkeit gegenüber den Zahlern, dass Nichtzahlen Konsequenzen (=Löschung aus Mitgliederliste) hat. Schnorren mag okay sein, aber nicht als Piratbei der eigenen Partein, die leider Geld braucht.
Viele Tausende deutscher Bürger haben tatkräftig geholfen, das Flüchtlingsproblem zu lösen.
Dann fing Seehofer und seine Kumpanen an, gegen diese Hilfsbereitschaft mit unnötiger politischer Polemik zu agieren, weil sie vermutlich keine rechtslastigen Wähler verlieren wollen.
Deutschland ist in der Lage, alle Flüchtlinge zu integrieren, wenn es das will. Hunderte Milliarden Euro wurden den Zockerbankiers in den Rachen geworfen ohne dass die Finanzkrise auf Dauer gelöst wird. Denn die Bankiers zocken weiter und vergeben nicht Kredite, sondern zocken mit dem Geld.
Es existiert also sehr viel billiges Geld, das in Wohnungsbau und in Arbeitsplätze investiert werden kann, so dass jeder einen Arbeitsplatz erhält.
Die Kredite sollten aber nicht von den unfähigen Banken vergeben werden, sondern direkt vom Staat.
Ausbau der Energienetze, der Verkehrswege ( insbesondere Schienen- und Wasserwege ). Elektroautos und die dafür benötigte Logistik.
Wenn die deutschen Autobauer dafür unfähig sind, müssen wir die französichen Autobuaer unterstützen.
Abbau der Lobbyistenwirtschaft, die im Grunde nur verdeckte Bestechung und Korruption ist.
Behörden müssen ihre Entscheidungen im Detail offenlegen, so dass die Bürger überprüfen können, ob diese Entscheidungen richtig sind. Misswirtschaft wie bei der Hamburger Philharmonie, dem Berliner Flugplatz und dem Nürburgring legen den Verdacht nahe, dass Korrunption im Spiel war. So unfähig kann selbst ein Politiker nicht sein, dafür benötigt er viele Helfer.