Wie lange arbeiten Menschen in Deutschland eigentlich?
Dies ist eine Fragestellung, die ein grelles Schlaglicht auf die Lebensqualität zahlreicher Beschäftigter wirft. Laut einer im Jahr 2005 veröffentlichten Analyse der statischen Daten aus 15 europäischen Staaten – initiiert von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen- , zeigt sich, dass alle dokumentierten gesundheitlichen Beschwerden der Menschen umso ausgeprägter waren, je länger die wöchentliche Arbeitszeit andauerte [1].
Kein Problem, sollte man meinen, denn im Grunde liegt die Vermutung nahe, dass im Zuge zunehmender Digitalisierung die Arbeitszeit sinkt und die Lebensqualität durch den Freizeitgewinn steigt und zukünftig weiter steigen wird.
In der Tat ist Wochenarbeitszeit seit dem Jahr 1950 von 48 Stunden grundsätzlich abgesunken. Doch kaum von der Öffentlichkeit bemerkt, ist sie in den letzten Jahren unter dem Schlagwort „Rücknahme der Arbeitszeitverkürzung“ – wieder deutlich angestiegen.
Im Jahre 2014 arbeiteten Vollzeitbeschäftigte in Deutschland durchschnittlich 42 Stunden.
Die Tendenz hält an, denn laut einer Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erhöhte sich im Jahr die Arbeitszeit von einem Drittel der Berufstätigen auf 45 Stunden. Aber das ist noch nicht alles.
„Überdurchschnittlich häufig berichten Beschäftigte von Pausenkürzungen, dass sie für ihren Arbeitgeber ständig erreichbar sein müssen (55 Prozent), viele Überstunden machen (49 Prozent) und sehr lange Wochenarbeitszeiten aufweisen (48 Prozent)“, so dokumentierte der DGB die aktuelle Entwicklung.
Das reicht Arbeitgebern aber nicht. Sie halten den 10 Stunden Arbeitstag wieder für notwendig und fordern von ihren Beschäftigten noch mehr Flexibilität.
Bedenkt man, dass noch im Jahr 1983 Gewerkschaften die 35 Stunden Woche forderten, hat sich die Situation der Arbeitenden schleichend verschlechtert.
Maßgeblich sollte allerdings der Wunsch vieler Menschen sein, weniger zu arbeiten und flexibler zu sein. Dies verdeutlichte die Studie des DGB „Gute Arbeit 2014“ in der 5.800 Beschäftigte befragt wurden. Die Digitalisierung würde durchaus Chancen eröffnen, dies zu ermöglichen und entsprechende Freiräume zu schaffen.
Die Frage ist, warum es dem Gesetzgeber, der mit dem Mindestlohn erfolgreich zumindest im Ansatz eine Verbesserung für zahlreiche Menschen erzielte, diesbezüglich keine neuen gesetzlichen Regelungen ins Auge fast.
[1] Nachreiner, Janßen und Schomann, 2005. Zitiert nach: Eberhard Ulich: Arbeitspsychologie. vdf Hochschulverlag AG und Schäffer Poeschel Verlag, 6. Auflage 2005, ISBN 3-7281-2998-4, ISBN 3-7910-2442-6, S. 582
Guten Tag Christiane vom Schloss,
es ist schade, dass Sie sich in Ihrem Artikel vorwiegend auf eine Interessenvertretung (DGB) beziehen, deren demokratische Legitimität seit 2005 stark gesunken ist, weil die Mitglieder der „Einheitsgewerkschaft“ den Rücken gekehrt haben. War es nicht einmal Ansinnen der PP, sich einer Klientelpolitik entgegen zu stellen?
Ich habe auch nicht verstanden, warum Sie es für unnötig empfinden, bei Ihrer Betrachtung nicht auch Menschen in Betracht zu nehmen, die nicht beschäftigt sind, weil sie sich zum Beispiel als Freiberufler (Friseurinnen, IT-Freelancer) verdingen. Vergleicht man diese Gruppe mit derjenigen der Beschäftigten, für die in starkem Maße die gesetzlicheh Schutzbestimmungen des Arbeitsrechtes gelten, wird deutlich, dass Sie den Fokus Ihrer Betrachtung auf eine privilegierte Minderhit legen. Vermutlich sieht die Linkspartei dort die Stammwählerschaft.
Übrigens: Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sagen mir auch, dass sie gern zur Arbeit gehen. Tatsächlich finden viele Menschen Bestätigung und Struktur im Arbeitsalltag. Die Gleichung weniger Arbeitszeit ist gleich mehr Lebensqualität stimmt nicht.
Die Digitale Gesellschaft ist bei der Piratenpartei nicht mehr gut aufgehoben. Ich bedauere das.
Schönes Restwochenende,
Nikolo
Sehr geehrter Herr Infuente,
die statistisch gesehen größte Anzahl der in Deutschland arbeiteten Menschen sind, wie Sie sie bezeichnen „privilegierte“ Arbeitnehmer. Freiberufler und Selbstständige stellen eine Minderheit dar. Dies können Sie der folgenden Statistik entnehmen, die Ihnen als Quelle vielleicht neutraler erscheint: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/77943/umfrage/anzahl-der-erwerbstaetigen-mit-arbeitsort-in-deutschland/
Es ist daher zielführend, sich mit einem Artikel auf diese größte Gruppe der Erwerbstätigen zu beziehen. In dem Zusammenhang steht außer Frage, dass Freiberufler und Selbstständige zum Teil noch unter deutlich problematischeren Bedingungen ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Fakt ist, dass der DGB die aktuellste und umfassendste Studie herausgab. Die wesentlichen dort genannten Aspekte lassen sich aber auch an anderen Quellen nachvollziehen, die aber fragmentarischer sind (z.B.
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/252939/umfrage/langfristige-beanspruchungs-und-stressfolgen-bei-arbeitnehmern-in- deutschland/
Daher sind diese Quellen für den Artikel weniger geeignet gewesen. Persönliche Erfahrungen im eigenen Umfeld halte ich in solchen Zusammenhängen nicht für repräsentativ. Arbeitszufriedenheit hängt ja von einzelnen Betrieben ab. Subjektiv scheint mir die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und die Bereitschaft Überstunden zu leisten, wobei unbezahlte Überstunden oft statistisch nicht erfasst werden, gewachsen.
Die schwindende Anzahl der gewerkschaftlich engagierten Menschen ist auch darauf zurückzuführen, denn die Gewerkschaften haben in den letzten Jahren wenig, eben zu wenig für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht (dies wird auch sehr knapp im Artikel angerissen). Demgegenüber steht die Furcht um den eigenen Arbeitsplatz und die Befürchtung im eigenen Betrieb als Gewerkschaftler/Querulant zu gelten.
Insofern bin ich von Ihrem Vorwurf „Klientelpolitik“ zu betreiben äußerst befremdet.