
Piraten wirken | CC BY 2.0 Michael Renner
Eigentlich ist diese Überschrift fast ein Witz. „Wieso sollte das Verteilen von Vogelfutter denn unter Strafe stehen?“, könnte sich jemand mit einem gesunden Menschenverstand fragen. Doch für zwei Piraten aus Chemnitz hätte es soweit kommen können: Mark Neis, politischer Geschäftsführer im Landesvorstand der Piraten Sachsen sowie Toni Rotter, Chemnitzer Stadtrat für die Piraten, standen für das Verteilen von Vogelfutter unter Anklage.
Alles begann mit einer Aktion auf der Straße. Beim Thema Cannabis und Drogen allgemein herrschen in Deutschland immer noch Unwissen und Vorurteile vor – wie die Reaktionen auf die Aktion beweisen sollten. Für diese kauften die Piraten im Baumarkt handelsübliches Vogelfutter, welches auch Hanfsamen enthält. Um genau zu sein: Nutzhanf. Das heißt, dieser enthält keinen berauschenden Wirkstoff und kann sogar von Menschen ohne Nebenwirkungen verzehrt werden. Diesen verpackten sie in kleine Tütchen und befestigten daran einen Flyer, der besagte, dass diese Samen nicht zu Anbauzwecken verwendet werden dürfen.
Die zuständigen Behörden hielten diese Aktion anscheinend für nicht ganz so unschuldig und reagierten mit geballter Faust. Im Juni 2015 kam die Polizei zur Geschäftsstelle der Piraten in Chemnitz mit einem Hausdurchsuchungsbefehl und beschlagnahmte die Hanfsamen, insgesamt 15.000 Flyer sowie einen Computer. Was dieser Computer – der im Übrigen auch sensible, persönliche Daten enthielt – damit zu tun hatte, bleibt ein Rätsel. Warum die Behörden mit solcher Heftigkeit reagierten, auch.
Toni Rotter als Pirat vor Ort und Mark Neis als damaliger Vorsitzender der Piraten in Chemnitz wurden für den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt. Zuerst erhielten die beiden ein Angebot, das Verfahren gegen die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung einstellen zu lassen. Doch da dies einem „kleinen Schuldeingeständnis“ gleichkommen würde, lehnten die beiden ab. Im Februar 2016 folgte ein Strafbefehl und beide zusammen sollten insgesamt 1500 € an Strafe zahlen.
Doch die Piraten wollten nicht einsehen, warum sie für eine vollkommen legale Aktion bestraft werden sollten. Deswegen kämpften sie weiter, mit der Unterstützung der Piratenpartei. Spenden wurden gesammelt für die Aktion #Vogelfutter und kamen der Verteidigung der beiden zugute.
Das zahlte sich nun aus – am 3. August wurde das Verfahren wegen eines „geringen öffentlichen Interesses“ eingestellt. Was am Ende bleibt, ist der altbekannte Streisand-Effekt. Nur durch die Reaktion der Behörden wurde die Aktion in den Medien bekannt, und die Aufmerksamkeit für die Intention der Aktion selbst – nämlich auf die teils lächerliche Drogenpolitik in Deutschland aufmerksam zu machen – wurde dadurch nur größer. Zwar müssen die beiden trotzdem die Verteidigungskosten zahlen, doch durch die Spenden sind diese gedeckt. Es bleibt nach Aussage von Mark Neis sogar genug übrig, um davon weitere politische Aktionen zu finanzieren.
Man könnte davon zum Beispiel mehr Vogelfutter kaufen. Dazu muss man nicht einmal in den Baumarkt, denn das kann man auch online bestellen. Zum Beispiel im PShop der Piratenpartei.
Piraten wirken!
Normalerweise müsste man die These vom „geringen öffentlichen Interesse“ durch intensives Befeuern aller vorhandenen Kanäle widerlegen. Dazu fehlt es uns aber sowohl an Kraft und vermutlich auch an Einigkeit. Die These selbst halte ich persönlich für einen Freispruch zweiter Klasse.
Die Chemnitzer Piraten haben sich keines Vergehens i.S. des StGB schuldig gemacht. Die sächsischen Behörden dagegen müssen sich jetzt fragen lassen, in wessen Diensten sie eigentlich stehen. Darüber hinaus haben sie sich in dieser Sache der Lächerlichkeit preis gegeben.
@Steve: Sei bloß vorsichtig. Mit deiner Verlinkung zum Vogelfutter im PShop kommst du möglicherweise in den Verdachte, zu Straftaten anzustiften. Aber genau solche Dinge würde ich unter einer Kampagne verstehen.
Mit dem „öffentlichen Interesse“ ist in der Rechtssprechung nicht die mediale Aufmerksamkeit gemeint, sondern eher das Gemeinwohl (in Gegenüberstellung zum individuellen Interesse). Du hast allerdings Recht – der Begriff ist ziemlich schwammig, das Einstellen des Verfahrens mit dieser Begründung ist ein Umweg, um diese Peinlichkeit zu beenden, ohne, die beiden Piraten freisprechen zu müssen.
Das Risiko mit der Verlinkung gehen wir gerne ein. Wir haben ja jetzt einen Präzedenzfall 😉