Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Was ist das eigentlich, so eine Utopie?
„Etwas, das in der Vorstellung von Menschen existiert, aber (noch) nicht Wirklichkeit ist.“
„Der Entwurf einer neuen zukünftigen, möglichen Lebensform, Gesellschaftsform oder politischen Ordnung.“
In dem Zusammenhang wird auch gerne das Word „Fiktiv“ verwendet. Es hat dabei nach meinem Geschmack eher einen abwertenden Charakter. Ich persönlich finde eine Utopie weder per se schlecht noch gut. Allerdings wer eine Utopie entwickelt, ist sehr kreativ, hat eine Vision von der Zukunft. Das finde ich dabei das wirklich interessante. Für mich ist der Weg dorthin das Ziel. Allerdings ist es natürlich schlecht, wenn man auf diesem Weg nur verbrannte Erde hinterlässt. Denn das könnte dazu führen, dass man, sollte man das Ziel erreichen, dann ganz alleine ist. Solche Utopien gibt es. Über die eine oder andere davon werde ich heute schreiben.
Zuerst aber wohl eine der bekanntesten überhaupt. In Deutschland kennen wir sie als Raumschiff Enterprise. Im Original „Star Trek“. Doch nicht das Raumschiff ist die Utopie, nicht Captain James T. Kirk, Jean Luc Picard, oder Captain Janeway. Auch DS 9 oder jetzt neu das Raumschiff Discovery sind die Utopie. Gerade die neue Serie hat das ziemlich deutlich gezeigt. Staffel eins und zwei waren, na ja. So lala. Hat einen nicht von den Socken gehauen. Und dann kam die dritte Staffel! Und in Ihr eine Rückbesinnung. Nicht mehr nur gnadenlose Action ohne Verschnaufpause. Sondern eine Rückbesinnung auf das, was die Serie schon immer ausgezeichnet hat. „Die Föderation“! Die Föderation und ihre erste Direktive. Sie sind die Utopie. Und, schriftstellerische Freiheit eines Autors, Gene Rodenberry, der Replikator, ohne den das wohl nicht möglich gewesen wäre.
Und mit dieser Rückbesinnung war die Serie wieder da. War sie wieder das, was Star Trek schon immer ausgezeichnet hat. Der Kampf aller Ihre Protagonisten mit den Regeln der Föderation. Diese Gratwanderung war es, die schon immer fasziniert hat. Zu sehen, wie ein Captain mit sich selber ringt, das war es, was uns alle fasziniert. Und ich glaube, genau das ist es, was diese Serie seit 1966 so erfolgreich gemacht hat. 1991 ist Gene Roddenberry gestorben. 1997 hat eine Pegasus XL Rakete einen Teil seiner Asche zusammen mit der von 20 anderen in eine Erdumlaufbahn gebracht. Im Jahr 2004 verglühte die Kapsel in der Atmosphäre. Doch seine Vision/Utopie lebt weiter. Viele andere haben das nicht geschafft.
Utopie25
Utopie25.de ist eine Webseite von Piraten für Piraten. Der Name lässt vermuten, dass es hier um Visionen bzw. Utopien geht.
Liest man das Selbstverständnis, kommen hier allerdings schon erste Zweifel auf.
„Die folgenden Grundsätze stellen die Basis unserer Arbeit dar und sind in ihrer Grundsätzlichkeit nicht verhandelbar.“
Auch die Zielsetzung mag den ein oder anderen überraschen:
„Utopie25 versteht sich als Netzwerk, Plattform, Gruppe und Kollektiv, das die progressiven und links libertären Ziele der Piratenpartei wieder auf die Tagesordnung bringt.“
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich alle Piraten der „Tatsache“ bewusst sind, dass sie links libertär sind. Hochinteressant auch der „Geschützte Raum“ und das „Prinzip der leisesten Stimme“.
Ich persönlich würde solche geschützten Räume sogar begrüßen. Allerdings erreicht man die nicht, indem man in solche Räume nur Leute einlädt, die einem genehm sind.
Richtig spannend finde ich den Punkt „Aufbau funktionierender Strukturen. Dieser Strukturschwäche wollen wir entgegentreten und bauen eigene funktionierende Strukturen (IT, Vernetzung, Verwaltung etc.) auf.“
Für mich bedeutet das, es gibt 2 konkurrierende Strukturen. Die auch 2x Geld kosten. 2x Arbeitskraft binden. Es bereitet mir große Schwierigkeiten, die Vision bzw. Utopie zu erkennen.
„Die Piratenpartei ist auf Bundesebene an einem Punkt, an dem die strukturelle Misswirtschaft finanzielle Konsequenzen bewirkt.“
Tatsächlich ist die Piratenpartei sehr chaotisch gewachsen. Und schrumpft jetzt zum Teil mit atemberaubender Geschwindigkeit. Das alleine bewirkt schon, dass Strukturen zum Teil wegbrechen. Und zwar auf absolut allen Ebenen! Nicht nur der Bundesebene. Hier muss tatsächlich etwas getan werden. Ich nenne das Professionalisieren. Interessanterweise sind einige derer, die zu Utopie25 gehören, genau die, die das verhindern. So z. B. bei dem Versuch, die Pressearbeit der Partei zu professionalisieren.
Es gibt noch einen Punkt in diesem Selbstverständnis. Nämlich BuVo as a Service. Auf den Punkt werde ich zum Schluss eingehen.
Vorher würde ich gerne über den einen Punkt sprechen, den ich zumindest zu Anfang meiner Zeit bei den Piraten als progressiv, ja sogar als visionär angesehen habe.
Themen statt Gesichter.
Wow, Hammer, hab ich gedacht. Wie cool sind die den? Aber, so ein winzig kleiner Zweifel war immer da. Und irgendwann war ich plötzlich für den Wahlkampf verantwortlich. Und das hieß, lesen lesen lesen. Studien, Wahlergebnisse, Wahlanalysen etc. Und das Ergebnis war sehr ernüchternd. Die Idee ist progressiv, ohne Frage. Cool auch. Aber die Wahrheit ist, sie bezieht die Wähler nicht mit ein. Die Wähler haben Mutti und Birne gewählt. Und das trotz dieser despektierlichen Bezeichnungen. Sie haben Gesichter gewählt. Menschen, denen sie vertrauen. Weil der Mensch so veranlagt ist. Er sieht einen Menschen und entscheidet. Es wäre schön, wenn nach Themen entschieden wird. Davon sind wir aber noch sehr weit entfernt. Und es ist ja nicht so, als wenn wir das nicht versucht hätten. Leider sind wir gescheitert. Zumindest diese Utopie ist jetzt noch nicht realisierbar, weil wir entwicklungstechnisch noch nicht so weit sind.
Und damit zu:
BuVo as a Service
„Wir verstehen in einer basisdemokratischen Partei den Bundesvorstand als Dienstleister für die Basis.“
Dienstleister? Kellnerin, Klofrau, Barmann, Krankenschwester?
Für mich ist der Vorstand, egal welcher übrigens, mein Stellvertreter. Ich habe den Vorstand gewählt, damit er meine Interessen vertritt.
„Top-Down-Politik und eigenmächtige inhaltliche Arbeit lehnen wir ab.“
Was bitte ist Top-Down-Politik? Ich bin ganz sicher, dass wir den Vorstand gewählt haben! Wir also nach demokratischen Regeln Menschen ausgesucht haben, die unsere Interessen bestmöglich vertreten.
Eigenmächtige inhaltliche Arbeit lehnen wir ab. Das Schöne an der deutschen Sprache ist, sie hat für fast alles ein Wort. Das Wort hierfür ist: Frühstücksdirektor.
In dem Zusammenhang habe ich auch von anderer Seite etwas Ähnliches gehört. Da wurde bemängelt, dass ein Vorstand „situativ und flexibel“ arbeite. Ich persönlich hätte das jetzt als ein Positivum verzeichnet. Und ganz sicher nicht negativ konnotiert (als schlecht bezeichnet). Ich kann die Arbeit eines Vorstandes nicht in ein Regelbuch gießen. Corona, Ukraine etc. beweisen tagtäglich, dass sowas unmöglich ist.
Fazit
Ich kann keine einzige Vision oder gar Utopie auf Utopie25 entdecken. Was ich stattdessen entdecke, ist der Versuch, einen demokratisch gewählten Vorstand zu entmachten. Ein wie ich finde der Piratenpartei unwürdiger Versuch. Sollten wir nicht für unsere Wähler das Bestmögliche versuchen zu erreichen? Um das zu erreichen, ist es absolut erforderlich, dass wir unsere Fähigkeiten bündeln, alle unsere Fähigkeiten zusammenpacken und so erreichen, dass wir Ideen und Konzepte haben, die uns von anderen abheben und die es uns ermöglichen, gewählt zu werden. Eine doppelt vorhandene IT-Abteilung hilft da ganz sicher nicht. Und Frühstücksdirektoren auch nicht.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Ausgezeichneter Beitrag!
Kommentare werden hier schnell unsichtbar. Meiner wäre auch lang. Deswegen habe ich diesen im Form eines Artikels verfasst:
https://www.piratde.de/von-utopien-und-meinungen/
Wir haben noch nie einen Kommentar gelöscht, zumindest nicht seit ich dabei bin. Da hätte ich doch gerne eine Quelle für diese … Theorie.
Ich vermisse die Kennzeichnung des Beitrages als Meinungsbeitrag oder Kommentar. Sowohl auf Social Media als auch mit der uneingeordneten Veröffentlichung auf der Startseite wird für den objektiven Dritten der Anschein eines Nachrichtenartikels mit entsprechender Recherche gesetzt.
Dies ist meines Erachtens aber nicht der Fall.
Auf die inhaltlichen Ansichten des Meinungsbeitrages will ich gar nicht weiter eingehen, muss ich auch nicht, da es ein legitimer Meinungsbeitrag ist. Das Fazit des Kommentars hat mich wie der Kommentar letzte Woche sprachlos gemacht und wirft meines Erachtens ein schlechtes Bild auf die Gesamtpartei.
Wenn ein Kreis von Menschen eine Kandidatur für einen Bundesparteitag vorbereiten will, ist dies das Beschreiten eines demokratischen Mittels und keine Entmachtung.
Demokratie heißt nicht, dass man als Mitglied einer Partei, mit der demokratischen Wahl eines Vorstandes, sein Gehirn an der Garderobe abgibt und alles was in Folge passiert kommentarlos bis zum Ende aller Tage ertragen muss. Nein, man darf Gegenkandidaten zur Wahl stellen und dies vorbereiten. Stellt Euch vor, man darf sogar innerparteiliche Oppositionsarbeit und Wahlkampf machen.
Es handelt sich um eine wöchentlich erscheinende Kolumne mit dem Namen Bullauge. Und die Definition für eine Kolumne ist: Die Kolumne (von der Kolumne des Spaltensatzes, von lateinisch columna ‚Stütze‘, ‚Säule‘) bezeichnet in der Presse einen kurzen Meinungsbeitrag als journalistische Kleinform. Der Autor einer regelmäßig erscheinenden Kolumne wird Kolumnist genannt.
Dann kennzeichnet es als Kolumne, sowohl in der Einordnung auf der Startseite, als auch bei Social Media. Für den objektiven Dritten ist das nicht erkennbar. Danke
Ich muss zugeben, das ist momentan nicht so wirklich stark sichtbar auf der Webseite. Ich sehe mir mal an, wie andere das so halten und überlege mir da was.
Utopie25 hört sich erstmal ganz politisch korrekt an. Also ganz viel Links, Progressiv und Gender Popender. Also die Weißen Ritter der guten Sache.
Problem dabei ist das es bei Links, Sozialismus und Jakobinertum eben am Ende dann doch niemals um die einzig richtige wahre Moral geht. Sondern die Moral dann immer stets nur dazu dient den eigenen eiskalten Machtanspruch zu verschleiern und zu legitimieren. Das kann man schon bei Niccolo Macciavelli nachlesen, also diese Strategie.
Das die dann den Vorstand entmachten wollen um sich selbst an die Spitze der Hierarchie zu stellen passt dann doch ganz gut zu den historischen Vorbildern. Linken, Sozialisten und so weiter geht es eben immer nur vordergründig um die Gute Sache. Der Wahre Grund ihres Handelns ist der Wille zur Macht. Zum Beispiel wenn verfügt wird das wir alle zu Gendern haben, das ist dann auch so ein Ritual der Unterwerfung unter Linke Machtansprüche (Wenn man denn so naiv ist es mitzumachen).