
Armut in Lübeck | CC BY-SA 2.0 <a href="https://www.flickr.com/photos/luebeck/">Jean Pierre Hintze</a>
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Das Bürgergeld ist im Bundesrat gescheitert. [1] Und für meinen Geschmack war der mediale Aufschrei ziemlich groß. Das ist vor allem deswegen interessant, als die Ablehnung der CDU/CSU ja klar war. Aber auch viele andere lehnen das Bürgergeld ja ab. So zum Beispiel der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, wenn auch aus entgegengesetzten Gründen. [2] Auch die Piratenpartei lehnt das Bürgergeld ab. [3]
Sollten wir also nicht froh sein, dass das Bürgergeld gescheitert ist?
Inflation
Betrachten wir das Bürgergeld doch einmal. Wir haben Inflation. Die höchsten Preissteigerungen seit 70 Jahren! [4] Und ein Ende ist nicht in Sicht. Und diese Inflation ist überhaupt nicht in das Bürgergeld eingerechnet.
Weder die dramatisch gestiegenen Stromkosten, teilweise das Dreifache, noch wurden die gestiegenen Lebensmittelpreise eingerechnet. Auch einen Mechanismus, der solche Veränderungen zeitnah erfasst und zu Veränderungen führen kann, gibt es nicht.
Und seien wir doch mal ehrlich. Glaubt auch nur irgendeiner, dass die Lebensmittelpreise wieder sinken werden? Ich glaube, eher friert die Hölle zu, wie man so schön sagt. Und auch die Stromkosten werden nur sinken, wenn die Politik diesbezüglich etwas unternimmt. Immerhin sind die erneuerbaren Energien ja deutlich preiswerter in der Herstellung.
Besprochen habe ich das hier: https://die-flaschenpost.de/2022/09/30/die-stromluege/
Sehen wir mal ein wenig genauer hin:
- Eine Dose Thunfisch im eigenen Saft 185 gr. vor dem Krieg: 0,99 € jetzt 1,49 €
- Eine Dose Linsensuppe 800 ml vor dem Krieg: 1,69 € jetzt 1,99 €
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- Leberwurst grob 125 gr. vor dem Krieg: 1,79 € jetzt 2,49 €
- Stromabschlag vor dem Krieg: 66 € im Monat, jetzt 160 € im Monat.
Gas kann ich leider nicht rechnen, da weder ich noch in meinem Bekanntenkreis jemand Gas benötigt. Aber wenn man den Meldungen in den sozialen Medien glauben darf, dann sind die Steigerungen hier stellenweise sogar noch höher als beim Strom.
Es gibt auch Berichte über Bäcker, die ihre Bäckereien deswegen geschlossen haben.
Bürgergeld
Wer profitiert von dem Bürgergeld eigentlich? Glaubt man der Ampel, dann vor allem die Bürger! Und tatsächlich verbessert das Bürgergeld in einigen Details das bisherige ALG II, auch Hartz 4 genannt. Wirklich profitieren wird aber hauptsächlich wohl nur die SPD davon, denn sie wird endlich den verhassten Namen Hartz los. Laut CDU/CSU dagegen schadet das Bürgergeld sogar.
Aber auch hemmungslos zu lügen ist kein Problem für die CSU.

Und zu guter Letzt werden die einzelnen Gruppen noch mit markigen Sprüchen gegeneinander ausgespielt, wie z.B. „Leistung muss sich lohnen“ oder „Bald geht keiner mehr arbeiten“. Und auch der Mittelstand beklagt sich und befürchtet, keine Arbeitnehmer mehr zu finden. Schon jetzt sei der Arbeitskräftemangel hoch. [5]
Dabei liegt die Lösung doch auf der Hand. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen könnten helfen. Allerdings hat der Kapitalismus in Deutschland ein bedenkliches Maß angenommen und so eifern wir dem Mutterland des Kapitalismus, den USA, weiter nach. Und in einigen Bereichen übertreffen wir sie sogar schon (Pflegekräfte pro Patient in Krankenhäusern). [6]
Armut
Rund 100.000 Menschen sind 2021 in den exklusiven Kreis der Dollarmillionäre aufgestiegen und 1,63 Millionen Menschen in Deutschland sind Dollarmillionäre. [7]
Die Dividenden stiegen nach dem Rekordjahr 2019 drastisch auf ca. 70 Milliarden €. Bundestagsabgeordnete verdienen ohne Zuschläge bereits 10.323,29 €. [8]
Und als wäre das noch nicht genug:

Und:

Dem gegenüber steht der sogenannte Mittelstand oder auch Mittelschicht. 4.000 €+ für den Singlehaushalt und 8.000 €+ für eine Familie plus 2 Kinder. Damit ist das verfügbare Einkommen gemeint.
Das sind ca. 53 Millionen Menschen, nämlich 64 %.
Dazu kommen ca. 13,4 Millionen Menschen, die von Armut betroffen sind. Hartz 4 Empfänger gehören zu dieser Gruppe, da sie deutlich unter der Armutsgrenze liegen. [9] Sie bekommen im Schnitt 818 € pro Monat. Die Armutsgrenze liegt bei 1173 € pro Monat.
13 Millionen Menschen sind gefährdet, in die Armut abzurutschen. Hier sind vor allem Alleinlebende und Alleinerziehende betroffen. Sie alle kommen aus der Mittelschicht. Im schlimmsten Falle wären das also 26 Millionen Menschen, die von Armut betroffen wären. Bei 83 Millionen Einwohnern gesamt ist das eine beachtliche Zahl für die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt.
CDU/CSU
Sie sind die maßgeblichen Verursacher dieser Situation. Sie mögen nicht alleine verantwortlich sein, aber überwiegend. 16 Jahre Kohl und 16 Jahre Merkel hinterlassen ihre Spuren. Markige Sprüche von Sozialschmarotzern oder dass Klimaproteste Terrorismus wären, verdeutlichen das Abdriften der beiden ehemaligen Volksparteien hin zum rechtsextremen und rechtsradikalen Rand der Gesellschaft.
Ihre Oppositionsarbeit beschränkt sich fast ausschließlich auf das Diffamieren und Diskreditieren anderer. Wirklich brauchbare Vorschläge oder wenigstens diskutierbare Vorschläge sind Mangelware. Bei dem Tempo, mit dem die Parteien in die Bedeutungslosigkeit abrutschen, bin ich gespannt, wann die Parteimitglieder die Reißleine ziehen.


Fazit
Ich bin froh, dass es das Bürgergeld nicht geschafft hat. Denn so ist die Ampel gezwungen, nachzuarbeiten. Und vielleicht schafft die Piratenpartei es ja diesmal, sich hörbar und sichtbar zu machen. Einen Diskurs in Sachen BGE anzustoßen oder mindestens eine Erhöhung des Bürgergeldes auf die geforderten 725 € zu fordern, wie vom paritätischen Wohlfahrtsverband gefordert. Allerdings müssen eventuelle Aktivitäten jetzt stattfinden.
Pressekonferenzen einberufen, an Demos teilnehmen bzw. dazu aufrufen. Es gibt viele Möglichkeiten. Wir sollten sie nicht verpassen.
Ullrich Slusarczyk
[3] https://www.piratenpartei.de/2022/11/09/buergergeld-nicht-viel-mehr-als-hartz-iv-reloaded/
[5] https://www.presseportal.de/pm/51921/5367527
[6] https://de.statista.com/infografik/16676/patientenzahl-pro-pflegekraft-im-internationalen-vergleich/
[7] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/vermoegen-deutschland-millionaere-101.html
[8] https://www.bundestag.de/abgeordnete/mdb_diaeten/mdb_diaeten-214848
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
In Deutschland wird es so schnell keine Opposition mehr geben. Wagenknecht und die LINKEN kriechen lieber einem Putin in den Arsch anstatt sich für die Menschen einzusetzen. Von SPD/Grünen/CDU usw… ist ohnehin rein gar nix nix zu erwarten.
Die Presse wird die Piratenpartei ganz sicher nicht erwähnen, den Pressekonzerne haben kommerzielle Interessen und keine Sozialen. So funktioniert das in der Fake Demokratie. Was evtl wirklich helfen könnte wäre ein ganz klarer und aggressiver Anti System Populismus welcher statt dessen eine ganz klare Utopie formuliert. Man muss die Leute abseits der Medien erreichen und mobilisieren, auch ganz klar machen das Weder das Lobbyisten Establishment, noch das Medien Establischment noch die Politik auf ihrer Seite steht. Also das es da Basisdemokratische Organisation und Bewegung von unten braucht.
Gerade jetzt brauchen wir doch eine neue Linke Partei, denn die alte Linkspartei wurde ja von Querfrontlern und Autoritären Putinfreunden übernommen die sicherlich alles im Sinn haben nur nicht das Wohlergehen der normalen Bevölkerung.