Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Mit Visionen ist das so eine Sache. Man sollte nicht zu oft sagen, dass man Visionen hat, das könnte sonst schnell zu einer Einweisung führen.
Aber was ist das überhaupt, eine Vision, noch dazu in der Politik?
Und wofür braucht man die?
Das Wofür?
Mit einer Vision kann man Wahlen gewinnen oder auch verlieren. Mit der normalen täglichen Arbeit eines z.B. Bezirksrates wohl eher nicht. „Ich habe die Anfrage an die Verwaltung gestellt, warum in der Straße xyz die Beleuchtung schon seit Monaten nicht geht.“ Das hält der Wähler für selbstverständlich. Aber die Aussage: „Mit mir wird es keine Verringerung der Parkplätze am abcplatz geben“ ist da schon hilfreicher und könnte als eine Ersatzvision angesehen werden. Visionen können Menschen auf die Straße bringen. Wie zum Beispiel im Iran, wo die Frauen um Gleichberechtigung kämpfen. Und wo das Zeigen der offenen unbedeckten Haare genau diese Vision anzeigt. Man kann also mit einer Vision Menschen mobilisieren. Aber so schlimm wie das klingt, die Vision der iranischen Frauen, sie ist eine sehr einfache, für uns sogar eine Selbstverständlichkeit. Sie ist dem gesellschaftlichen Zustand ihres Landes geschuldet. Ich hoffe sehr, dass sie eines Tages nach höheren Zielen greifen können.
Die Vision
Eine Vision zu erklären ist sehr schwierig, ich hab das in einem anderem Artikel mit einem Beispiel aus Star Trek gemacht. Heute versuche ich es mal so. Eine politische Vision ist etwas Positives für die Gemeinschaft, also den Bürger/Wähler, zu erreichen. Dabei zählt der Mensch mehr als Individuum, mehr als Unternehmen oder Institutionen. Das kann etwas Materielles sein, oder auch immaterielles wie Wissen sein. Helmut Schmidt hat gesagt:
„Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen!“
Für mich sind Visionen der Versuch, mithilfe einer Idee, etwas Positives für die Zukunft zu schaffen. Manchmal ist es aber gar nicht die Vision an sich, sondern der Weg dahin, der schon Positives schafft. Das kann unter anderem daran liegen, dass sich durch den Weg die Bedingungen schon fundamental geändert haben. Mahatma Gandhi hatte die Vision der gewaltfreien Welt. Grundsätzlich würde ich sagen, sind wir davon wohl jetzt sogar weiter entfernt als zu seiner Zeit. Das wirklich besondere an einer Vision ist ihre Kraft, ihre Wirkung. Die Montagsdemos in der DDR hatten so eine Kraft. Und sie folgten einer ziemlich einfachen Vision. Freiheit. Ähnlich den Frauen im Iran.
Piratige Visionen
Am Anfang der Piratenpartei stand die Reform des Urheberrechts. Und wenn wir ganz ehrlich sind, sind wir zumindest bei diesem Thema gescheitert. Save Your Internet war auch eine Vision, und zumindest kurzfristig hat sie der Piratenpartei geholfen. Aber es war eine sehr kurzweilige Vision, denn genaugenommen sind wir auch hier gescheitert.
Vielleicht wäre es ja mal an der Zeit, etwas längerfristig, etwas größer zu denken. Eventuell ist Lützerath ja als Vision zu klein.
Vor kurzem habe ich während einer Diskussion gelesen, dass ein Professor während einer Univorlesung die These aufgestellt hat, dass der Ü30 Generation der Datenschutz völlig egal ist. Bedauerlicherweise kann ich das mit Blick auf mein persönliches Umfeld bestätigen und sogar sagen, dass es sich nicht nur auf die Ü30 beschränkt, da aber am offensichtlichsten ist.
Themen der Zeit
Es gibt immer das ein oder andere Thema, das in einer Zeit anfällt. Es gibt aber auch Themen, die sind schon seit 50 Jahren oder länger aktiv und werden auch auf absehbare Zeit noch da sein bzw. sogar zunehmend dominant werden.
Zu solchen Themen Visionen zu entwickeln, sollte eines der politischen Ziele der Partei sein.
Von der Klimakrise über steigende Armut in der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, dem Bankrott unseres Gesundheitssystems und der mangelnden bis katastrophalen Inklusion, dem Lobbyismus und seine Verstrickungen in die Politik, den Auswüchsen des Kapitalismus und dem völligen Verschwinden der „sozialen Marktwirtschaft“. Das alles sind Themen, die uns noch sehr viele Jahre begleiten werden.
Es wird Zeit, dass wir bei diesen Themen Visionen entwickeln. Denn nur so werden wir Wähler gewinnen.
Neue Visionen
Damit niemand sagt, ich würde ja nur fordern, aber selbst nichts tun. Voila, hier meine Ideen.
Ok, die erste ist nicht meine Idee, sondern schon älter.
• BGE
Nämlich das BGE. Hier stellt sich die Frage, wie kann man das neu beleben, es so gestalten, dass der Bürger, also die, für die es gedacht ist, es auch annehmen.
• Energie 1
Kommen wir zu einer Vision, die ebenfalls nicht neu ist und in Spanien an der Costa Blanca z.B. zumindest teilweise schon seit Jahren existiert.
Neubauten, und zwar alle, egal ob Mietshaus, Villa oder öffentliches Gebäude, müssen eine Mischung aus Solarthermie, Solarstrom und Windenergie in Verbindung mit einer Speicherlösung haben. Damit werden dann z.B. Flurbeleuchtungen, aber auch die verpflichtend einzubauenden Notstromsteckdosen (normale und medizinische, rote und grüne Steckdosen) im Falle eines Blackouts bedient.
Dazu müssten alle existierenden öffentlichen Gebäude, wo das machbar ist, in einem Zeitraum von höchstens 10 Jahren entsprechend nachgerüstet werden. Miet- und Wohnhäuser haben eine Übergangszeit von 25 Jahren.
• Energie 2
Auch das gibt es in anderen Ländern schon längst, nämlich die verpflichtende Überprüfung von Elektroinstallationen nach einer festzulegenden Zeitspanne. (Schweiz, 20 Jahre für normale Hausinstallationen)
• Wasser 1
Unternehmen, die Grundwasser (ab einer bestimmten Mindestmenge) entnehmen, müssen in der Region eine Entsalzungsanlage bauen, deren Kapazität der des tatsächlichen Wasserverbrauchs entspricht. Dazu tragen sie die Kosten, die für den Transport des Salzwassers in die Region anfallen.
• Wasser 2
Der Staat sorgt für Transportwege, um Wasser in benötigte Regionen zu bringen.
• Inklusion
Ein Konzept, das dazu führt, dass die UN-BRK nicht nur gedrucktes Papier ist, sondern auch tatsächlich in der gesamten Gesellschaft angewandt wird.
Das waren jetzt meine Ideen, es gibt sicher noch viel mehr Möglichkeiten. Ich bin aber längst nicht in allen Themen zu Hause und überlasse das gerne den Fachleuten da. So sehe ich bei dem Thema Gesundheit sehr viel Potenzial.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Da hätte ich auch einige… zB Privatisierung von ÖP(N)V und Gesundheitswesen rückgängig machen und beide verstaatlicht wieder auf ein vernünftiges Level ausbauen. Dafür mit Abbau von Bürokratie und aufgeblähtem Parlament das Geld wieder reinholen.