Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Es ist 1955 und die Deutsche Bahn erreicht mit rund 54.000 Kilometern Schienennetz ihre größte Ausdehnung. Seitdem wird es kontinuierlich kleiner, zugunsten der Straße und des LKW/PKW-Verkehrs. Heute sind es nur noch 33.400 km.
Und obwohl wir alle wissen, dass die Bahn wesentlich klimaverträglicher ist als jedes Auto, jeder LKW, werden weiter Autobahnen gebaut, während die Bahn weiter vernachlässigt wird.
Wirtschaftlichkeit
Laut Bundesrechnungshof (oberste Bundesbehörde, unabhängiges Organ zur Finanzkontrolle) häuft die Bahn zurzeit täglich 5 Millionen € zusätzlich zu den bereits vorhandenen 30 Milliarden € an Schulden an.
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bundesrechnungshof-bahn-krise-101.html
- https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-bundesrechnungshof-verspaetung-krise-1.5769313
Besonders wirtschaftlich ist sie also nicht. Das verwundert allerdings nicht. So haben alle vorherigen Verkehrsminister lieber den sogenannten Individualverkehr gefördert, denn die Bahn. Und natürlich war der Güterverkehr auf der Straße viel lukrativer als auf der Schiene.
Auch die Coronapandemie und das 9-Euro-Ticket haben das Ihrige dazu beigetragen.
Mit Volker Wissing ist jetzt zum ersten Mal seit 1949 eine andere Partei als die SPD/CDU/CSU im Verkehrsministerium zuständig. Geholfen hat das der Bahn allerdings nicht, wie der neue Bericht des Bundesrechnungshofes zeigt.
Ungeliebt
Die Abneigung ist gegenseitig. So mag die Bahn die Fahrgäste nicht, weil die nur Arbeit machen, aber kein Geld einbringen. Die Güterverkehrskunden mögen die Bahn nicht, weil unzuverlässig und verspätet. Fahrgäste mögen die Bahn nicht, weil diese ständig verspätet, ausfällt und unzuverlässig ist. Dazu teuer, unbequem und überfüllt. Inklusion kennt die Bahn zwar, aber nur, wenn es um das eigene Personal geht.
Als Fahrgast sieht das völlig anders aus.
Da werden Rollstuhlfahrer auch schon mal mit der Polizei aus der Bahn geworfen.
Rollstuhlfahrer müssen sich vorher anmelden, obwohl Deutschland 2009 der UN-Behindertenrechtskonvention beigetreten ist. Darin steht:
Menschen dürfen aufgrund ihrer Behinderung nicht in ihren Menschenrechten und Grundfreiheiten beschränkt, ausgegrenzt oder bevormundet werden.
Das heißt, sie kommen zur Bahn und steigen ein, so wie jeder andere Fahrgast auch.
Die Realität sieht anders aus!
Auf Twitter gibt es die Accounts von @Zauberbaerin und @DerFrankyman, einem Paar, das gerne mit der Bahn fährt und darüber meist in sehr vergnüglicher und informativer Weise berichtet. Hier merkt man schnell, dass Inklusion und die Bahn keine Freunde sind, und der Weg zu einer brauchbaren Umsetzung noch Jahre dauern kann.
Die Abneigung der Bahn gegenüber den Fahrgästen manifestiert sich aber noch in vielen anderen Dingen. So sind viele kleine Bahnhöfe ohne einen Regen-Wind- oder Schneeschutz. Sitzplätze eher Fehlanzeige. Fahrstühle funktionieren oft nicht, das nicht nur bei kleinen Bahnhöfen, sondern auch bei großen Umsteigebahnhöfen wie z.B. Hannover.
Pro Bahnsteig gibt es größtenteils nur einen Gesamtplan für An- und Abfahrt. Ist natürlich ganz toll, wenn 20 Leute gleichzeitig gucken möchten. Ich nehme an, dass die entsprechenden Plakate zu teuer sind.
Auf einigen Hauptstrecken sind die Züge beinah grundsätzlich überfüllt. Dafür werden immer mehr kleine Orte einfach nicht mehr angefahren, Strecken stillgelegt.
Und was den Takt der Bahn anbetrifft, na ja. Der sogenannte Deutschlandtakt: Züge fahren stündlich oder sogar halbstündlich zu festen Zeiten in ganz Deutschland.
Dieser Deutschlandtakt, er kommt wohl erst 2070 statt wie ursprünglich vorgesehen 2030.
- https://www.deutschlandfunk.de/deutsche-bahn-deutschlandtakt-zeitplan-100.html
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bahn-deutschlandtakt-101.html
Da wundert es nicht, wenn der Verkehrsminister lieber Autobahnen ausbaut.
Züge
Sehr viel Geld hat die Bahn ausgegeben für Ihre Züge. Aber so richtig gut sind sie nicht. Selbst die neuesten Züge ICE 3 NEO sind nur sehr eingeschränkt barrierefrei.
WLAN ist noch immer eine Katastrophe in der Bahn. Und noch immer finde ich das Platzangebot zu eng und zu schmal. Für alte Leute ist das Einsteigen in die Züge (ICE), wenn man z.B. einen schweren Koffer hat, eine Tortur, da der Einstieg nicht ebenerdig ist. Dazu kommen die verschiedenen Abstände der Züge zum Bahnhof. Da kann das Rad eines Rollators schonmal mühelos steckenbleiben oder man mit dem Fuß zwischen Bahn und Bahnsteig geraten.
Bahnhöfe
Sie wollen einen Bahnhof kaufen? Kein Problem. Die Bahn verscherbelt Ihr Tafelsilber.
Die im Betrieb befindlichen Bahnhöfe platzen fast alle aus den Nähten. Geschäfte und Werbung ohne Ende. Toiletten nur gegen Bezahlung. Barrierefreie Toiletten Mangelware oder nur im Personalbereich, wo Fahrgäste normalerweise nicht hindürfen.
Fahrstühle, die wochenlang nicht funktionieren, obwohl der Hersteller eine deutsche Firma ist.
Viele Bahnhöfe sind laut, dreckig, stinken und oder sind überlaufen. Service ist eher schlecht. Das wird sicher nicht für jeden Bahnhof so sein, aber die Tendenz ist wie beschrieben.
Fotografieren in und auf Bahnhöfen übrigens nur mit Genehmigung und für den Privatgebrauch. Alles andere ist genehmigungspflichtig.
Fazit
Der Bahn könnte eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Klimakatastrophe zukommen. Leider ist sie politisch gewollt, marode und kaum in der Lage, selbst einfachste Dinge, eben den Personenverkehr zu regeln. Das 9-Euro-Ticket war der Härtetest und hat schonungslos all die Fehler, Schwächen und Probleme der Bahn auf einen Schlag aufgezeigt. Konkrete Forderungen aus diesen Problemen sind dabei aber bisher kaum gekommen, geschweige denn umgesetzt. Hier ist auch die Piratenpartei gefordert, ein Konzept zu erstellen. Bei der Bewältigung der Klimakatastrophe führt eben kein Weg an der Bahn vorbei.
Da könnte es vielleicht sogar gut sein, das Schienennetz gegen den Trend wieder zu vergrößern!
Oder autonome Züge, die regelmäßig auf dem Land fahren, wären eine solche Forderung. Aber die Bahn hat da so Ihre Probleme mit. Und das, obwohl ihr Unmengen an Lokführern fehlen.
Die Bahn hat das Zeug zu einem wirklich guten Wahlkampfthema. Sowohl was Europa anbetrifft (Stichwort Preise), als auch bei dem Thema Digitalisierung. Es wird Zeit, dass wir da was tun!
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Mit kostemlosen Nahverkehr würde es noch schlimmer werden. Denn dann würde die Bahn die Kunden noch nicht einmal mehr als Geldbringer ansehen sondern nur noch als Unkostenfaktor. Als Vorbild kann hier die Schweizer Bahn dienen, die Ticketpreise dort sind zwar sehr teuer dafür ist die Bahn dort aber bestens finanziert, modern, sauber und immer pünktlich.
Je mehr der Staat in Deutschland da billig Tickets forciert desto weniger Motivation hat die Bahn noch wirklich das anzubieten was die zahlenden Kunden wollen. Das Geld kommt dann ja sowieso vom Staat und wird dem Steuerzahler abgepresst. Dann bewegen wir uns in Richtung Sozialismus und das hat noch nirgendwo richtig gut funktioniert.
vielleicht sollten wir die Deutsche Bahn für 1 Euro an die Schweizer SBB verkaufen, dann hätte die DB wenigstens mal ein Management was effizient und wirtschaftlich arbeitet !