Zum Stichtag 22. Januar wurden genau 63 Anträge in der Antragsfabrik des Bundesparteitags in Lampertheim eingereicht. Wir schrieben die Antragsteller an und baten sie ihre Anträge vorzustellen. Ivo Dubiels Positionspapier trägt den Titel Das BGE vom Kopf auf die Beine stellen. Dazu schreibt er Folgendes:
Die Zukunft unserer Gesellschaft und Demokratie ist bekannt: Wir brauchen nur die Entwicklung der letzten Jahrzehnte extrapolieren: Die Entwicklung der Vermögen (im Verhältnis zum Sozialprodukt: 7 zu 1 [1914], 2 zu 1 [1950 – 70], 5 zu 1 [2010], 7 zu 1 [2030]) und die Anhäufung in den Taschen von 1 % der Gesellschaft. In einer sehr ungleichen Gesellschaft kann es einen Rechtsstaat geben, aber keine „Volksherrschaft“ (übersetzt: Demokratie). Demokratie beruht nicht auf der Einsicht, dass alle Menschen gleich sind. Sie wurde immer erkämpft als Widerstand gegen die wenigen Reichen: Hoppla, wir sind auch noch da, auch wir haben Bedürfnisse und Sorgen. So ist sie vor 2500 Jahren entstanden, so wurde sie von der Sozialdemokratie vor 1914 erkämpft und so ist es auch heute. Wollen wir die Demokratie verteidigen, brauchen wir eine mitwirkende, keine passive Bevölkerung. Die letzten Monate zeigten, wieviel Kraft wir da haben.
Das BGE, wie bisher angedacht, ist kein Beitrag für mehr Demokratie. Es entspricht den Interessen der Bildungsbürger, die den geschenkten Freiraum gut zu nutzen wissen. Unternehmern dient es als Lohnsubvention. Es lässt die im Schatten, die ein Angebot suchen, sinnvoll tätig zu sein und gleichzeitig gut über die Runden zu kommen. Und nur wenn es das schafft, ist das BGE sozial.
Ein soziales BGE sollte aus zwei Zahlungen bestehen:
Eine bedingungslose Zahlung an alle mit Lebensmittelpunkt in Deutschland, die alle oder die wichtigsten bisherigen Sozialleistungen ablöst. Dieser Betrag schließt eine Flat-Erstattung der Verbrauchssteuern ein, wie sie bei einem Einkommen in Höhe der Armutsgrenze anfallen. (Bettler sollte man nicht besteuern.) Diese Zahlung ist zu versteuern.
Dr. Ivo Dubiel, Jahrgang 1941 und 1968. Betriebs- und Volkswirt. Jahrzehnte in Entwicklungsländern (einer Normalsituation) machten mich mit der Zukunft der ehemaligen Industrieländer bekannt. Die Glanzzeit unserer Demokatie war durch die riesigen Konjunkturbeihilfen des Kalten Krieges eine Ausnahme-Zeit. Dies bestimmt auch meine theoretischen Überzeugungen (moderne VWL-Theorie ist ein „Glasperlenspiel“, daher zurück zu den Klassikern, den Ökonomen des Wachstums). Habe große Zweifel, ob die deutschen Piraten ihrer historischen Mission gerecht werden.
Eine Zahlung für Dienste aller Art, die Bürger für Bürger leisten. Alle, die sich beim Bürgerdienst einschreiben, erhalten Bürgergeld und übernehmen eine oder mehrere Patenschaften. Jugendliche, Eltern, Behinderte und Greise sind auf Antrag von Verpflichtungen befreit. Bürgerdienste sind lokal und selbstverwaltend zu organisieren. Der Ablauf stützt sich auf soziale Netzwerke.
Es soll Piraten geben, die texten: „Fortschritt ist, was Arbeit abschafft“. Sie sagen damit: „Fortschritt ist, was Einkommen aus Arbeit abschafft“. Aber auch das ist falsch. Technologischer Fortschritt bedeutet Kapital und Einkommen aus Kapital in der Hand von wenigen. Und die wenigen Reichen schaffen Arbeitsplätze. Vor 1914 war das noch Dienstpersonal, heute sind es ausgelagerte (meist prekäre) persönliche Dienstleistungen. Die Vergangenheit hat die Zukunft eingeholt. Die Vernichtung von Kapital durch zwei Weltkriege, die Wirtschaftskrise und den Kalten Krieg ermöglichte zwischendurch ein wenig Demokratie.
Ein soziales BGE ist Bremsklotz für diese Entwicklung. Es sichert den ärmeren 50 % nicht nur Einkommen, es schafft ihnen auch einen Platz in der Gesellschaft. Die alten sozialen Strukturen zerfielen. Ein Gewebe von sozialen Partnerschaften gestützt auf digitale Vernetzung bildet eine neue Säule der Zivilgesellschaft. Dies ist die Zukunft und nicht der BGE-finanzierte ἰδιώτης (Idiot = Privatperson; in der griechischen Polis Personen, die sich aus öffentlichen-politischen Angelegenheiten heraushielten und keine Ämter wahrnahmen, auch wenn ihnen das möglich war), der zu Hause ein gelehrtes Buch schreibt, das niemand lesen wird.
Da isses ja wieder, mein Lieblingsplakat! Und mit dem Zusatz “Einkommen aus” noch … fragwürdiger als im Original. Der Autor setzt sich kritisch mit dem Plakat auseinander – hätte man es dann nicht sauber durchstreichen müssen (am besten doppelt), um dies von vornherein klar zu machen? Überhaupt musste ich sowohl den Text als auch den Antrag an den BPT zwei Mal lesen, um die Intentionen des Autors zu erkennen; kann aber auch an mir liegen.
Ich teile den Grundtenor des Textes, allerdings sehe ich große Schwierigkeiten bei der Definition und gerechten Abrechnung dieser “Patenschaften” als “Bürgergeld”. Wer soll das tun? Dafür könnten wir gleich die Arbeitsagenturen am Start lassen…und hätten dann kaum etwas geändert. Oder halt ein anderes bürokratisches Monster erschaffen, das am Ende auch wieder nur die Repressionskeule schwingt.
Tipp zur Wissenserweiterung: https://www.youtube.com/watch?v=BZd4JsT18mo
Dieser als Professor getarnte Kommunist(Ironie) schlägt u.a. schlicht die bessere Verteilung der Arbeit durch radikale Arbeitszeitverkürzung vor und stellt dabei ganz frech die derzeit idealen Verwertungsbedingungen des Großkapitals infrage. Dadurch weitgehende Abschaffung der Arbeitslosigkeit ganz ohne BGE – geht m.E. auch. Das Video ist zwar eine ökonomische Betrachtung, bleibt aber einigermaßen verständlich.
[Die Redaktion: Rüdiger, dein Kommentar wurde wegen des Links auf einen “das Finanzjudentum ist an allem Schuld” Film gelöscht. Bei der Staatsanwaltschaft werde ich nachfragen, ob ein Anfangsverdacht auf Verbreitung von volksverhetzendem Material besteht. Als Chefredakteur spreche ich ein virtuelles Hausverbot gegen dich aus und sperre dich für weitere Kommentare. Michael Renner – Chefredakteur der Flaschenpost]
Das BGE ist für mich nicht das Ende aller Dinge. Das BGE ist allerdings ein guter Schritt zu weniger Bürokratie, wenn es richtig umgesetzt wird. Und ist vor allem ein guter Ausgleich für das mehr an Selbstverwaltung (Kunde scannt seine Einkäufe selbst). Zudem steigert das BGE die eigene Selbstbestimmung, weil ich mich frei von Existenzängsten für das entscheiden oder anwerben lassen kann was ich wirklich von Herzen will. Das eigene Erleben wäre dadurch für viele ein ganz neues Lebensgefühl und eine hervorragende Plattform in die Freiwilligkeit! Letztlich bin ich ein Freund von allen Entwicklungen, welche die Freiheit des Einselnen fördern. Nichts finde ich schlimmer, wie wenn jemand innerlich gekündigt hat, deshalb krank wird, oder nur von Wochenende zu Wochenende “lebt”.
Das BGE ist flexibel anwendbar, kann partizipiel eingeführt und getestet werden. Und nach und nach optimiert werden.
Es muss das BGB auch nicht neu Erfunden werden, indem der ein oder andere es Bürgergeld nennt und man sollte es keinesfalls zu kompliziert angehen.
Die soziale Einbindung finde ich auch sehr wünschenswert, dafür kann wie ich erwähnt habe geworben werden, die Bereitschaft dazu sollte honoriert, aber nicht erzwungen werden, sonst bringt es nichts. Sowieso dürfte wohl das BGE wahrscheinlich erst mal kein Leben im Luxus sein, sondern wohl eher gerade noch zum sozialen Frieden etwas beitragen. Oder anders herum wer mit relativ wenig Konsum auskommen will und kann, schont die Umwelt und der hat sich dadurch das BGE ohnehin redlich verdient… Selbstverständlich sollte sich das BGE Dynamisch erhöhen. Das BGE sollte ein normales Leben ermöglichen und kann zur Regulierung auch höher liegen um bestimmte Effekte zu erzielen. Ansonsten ist das BGE in Büchern ja bereits gut beschrieben.