Nicht erst durch Pegida und ihren mutmaßlichen politischen Arm AfD mit ihren „Lügenpresse!“-Rufen, aber auch primär wegen dieser Protagonisten gibt es in Deutschland eine Diskussion über die anscheinend in den Leitmedien teilweise sehr einheitliche veröffentlichte Meinung und die dahinter vermuteten Strukturen. Sehr pointiert gibt dies die berühmte Journalisten-Vernetzungs-Satire aus der „Anstalt“ wieder, die ich hier gerne wieder verlinke – das klingt alles sehr nach einer #lobbypresse.
Da sich der Sperling als Journalist versteht und ungern platt auf Kollegen schimpft, wartet er schon länger auf ein Thema, das bundesweit Beachtung findet, die Gesamtgesellschaft stärker betrifft als der Bau des Flughafens in Schilda Berlin und einen sehr starken Bezug zu den Piraten, vor allem zu einem Mandatsträger hat. Denn es besteht der „Verdacht“, dass es eine Lobby gibt, die ein Interesse daran hat, dass kaum noch Berichte über die Piraten veröffentlicht werden – und wenn es unumgänglich ist, dann den Parteibezug so weit als möglich herausstreicht/-lässt.
Das Thema ist da. Tobias McFadden (@derKalle), Gemeinderat der Piratenpartei, klagt vor dem EuGH gegen die WLAN-Störerhaftung – und der Generalanwalt hat seine Einschätzung (der die Richter i.d.R. folgen) abgegeben.
Der Sperling hat sich darum einige Artikel aus den unterschiedlichsten Medien mit ausreichend Relevanz oder bestimmter Zielrichtung näher angesehen, um herauszufinden, ob überhaupt und in welchem Rahmen darüber berichtet wird, dass der Kläger nicht nur Parteimitglied sondern sogar gewählter Mandatsträger ist, mit finanzieller Unterstützung der Partei das Verfahren führt und dass das offene WLAN nicht zuletzt auch aus politischen Gründen offen war.
Abendzeitung München (AZ)
Digital wird sehr schön kommuniziert, durch das Bild mit Parteishirt, dass dies kein einfacher Rechtsstreit ist, sondern auch eine politische Auseinandersetzung. Im Print war nur der Kopf zu sehen, die Mitgliedschaft in der Partei wurde dort nicht erwähnt.
N-TV, TAZ und das ehemalige Nachrichtenmagazin (Spiegel)
n-tv erwähnt nur minimal („Der Beklagte, ein Mitglied der Piraten-Partei“), dass es um einen Piraten geht, zudem schreibt man den Parteinamen falsch. Andererseits gibt man der, mutmaßlich B90/Grüne nahestehenden, „Digitalen Gesellschaft“ Raum für ein Zitat. Ähnlich die TAZ, aber das war erwartbar – auch hier kommen die Gründigitalen zu Wort. So wie beim Spiegel, da ist es ein „Betreiber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik“, der Mitglied der Piratenpartei ist – kein Wort zu den Beweggründen.
Die Welt und BILD
Besonders krass tut sich die Welt aus dem Hause Springer hervor: Die Parteimitgliedschaft wird nicht einmal erwähnt, der Hintergrund schon gar nicht. Der Kläger ist auf einmal nur „Veranstaltungstechniker“ – man kann hier klar den Willen, die Piraten nicht zu erwähnen, erkennen. Immerhin ist dies nicht nur ein Rechtsstreit zwischen einer Privatperson und der Content-Mafia, sondern eine politische Auseinandersetzung, die eben vor Gericht geführt wird – in anderen Fällen mit ähnlicher Tragweite und politischem Hintergrund wird das anders gehandhabt. Ähnlich bei BILD, das war leider zu erwarten.
Computerbild, Heise und Computerbase
Etwas ausführlicher und korrekter in der Beurteilung die Computerbild, etwas weniger plakativ ist Heise. Computerbase benennt den Kläger zumindest als Politiker, aber auch hier erhalten die Gründigitalen Raum für Zitate – anstelle eines Beteiligten oder gar eines neutralen Gesprächspartners.
General Anzeiger und FAZ
Zumindest wird im General Anzeiger und der FAZ die Parteimitgleidschaft erwähnt, der Name aber nicht. Und selbstverständlich wird der Kläger als einfaches Mitglied bezeichnet. Dass es sich dabei auch um einen politischen Prozess handelt, der auch mit Parteigeldern geführt wird, kommt nicht vor.
Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ)
Der Artikel zeigt, wie man fast alles richtig macht. Dies nicht nur, weil der Kläger korrekt benannt wird, sondern auch, weil er selbst mit einem (gekürztem) Zitat zu Wort kommt, Patrick Breyers Kommentar mit dem Schlagwort „Content-Mafia“ bekommt auch Raum. Hier hat jemand klar erkannt, dass es sich um eine politischen Konflikt handelt und dies auch publiziert.
Bundesverband Digitale Wirtschaft (BDW)
Hier findet sich ein eher sehr kurzer Artikel zu diesem für den Verband eklatant wichtigen Thema, auch hier wird weder Parteizugehörigkeit, Mandat oder sonst etwas erwähnt, dass darauf hindeutet, dass dieser Rechtsstreit eine politische Auseinandersetzung ist.
Bemerkenswert ist dies angesichts der Tatsache, dass der BDW das kommende „WLAN-Gesetz“, das noch unklarere Zustände betonieren soll, heftig kritisiert und der Autor des Artikels als „Leiter Wirtschaftspolitik“ ausgewiesen wird – der BDW also klar politisch Position bezieht.
Legal Tribune etc.
Die Legal Tribune ist ein Fachmagzin und richtet sich vor allem an Juristen. Demzufolge geht es im Gastartikel rein um die juristischen Inhalte des Verfahrens, nicht aber um die gesellschaftlichen Aspekte. Somit spielen hier, wie auch in anderen Artikeln von Juristen, weder Parteizugehörigkeit noch politische Hintergründe des Verfahrens eine Rolle. Eine für Fachartikel vollkommen korrekte Vorgehensweise, an der es nichts auszusetzen gibt.
Fazit
Dass es sich um eine politischen Konflikt handelt, der vor Gericht ausgetragen wird, findet so gut wie gar keine Erwähnung. In anderen Fällen, vor allem bei Klagen vor dem BVerfG, ist das aber üblich – der Sperling spart sich einfach mal die Links dazu.
Die Gründe sind schwer fassbar, ein Muster aber bei einigen, auch meinungsbildenden Medien sichtbar. Ob es sich um einen ungeschriebenen Konsens in der schreibenden Zunft handelt? Oder kann es sein, dass dort keiner erkennt, wie nötig dies Gesellschaft eine sozial-liberale Partei hat, nachdem es nur noch rechts-national blaue mit braunen Streifen, neo-liberal blau-gelbe, schwarze und grüne konservativ, dunkelrote oder verblichen-rote Parteien gibt.
Eine gesteuerte Verschwörung ist es jedoch nicht, denn es gibt genug Veröffentlichungen, die die Piraten nicht ausklammern oder rausschreiben.
Interessanterweise hat nur eines der oben genannten journalistischen Medien mit dem Kläger gesprochen (AZ) und die Pressemitteilungen der Piratenpartei sind offensichtlich sehr sparsam wahrgenommen oder gar nicht gelesen worden . Beim Rest wurden, mit einer Ausnahme (NOZ), dpa-Meldungen oder andere Drittquellen in stark gekürzter oder kastrierter Form wiedergegeben.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂
ich frage mich, ob es möglich ist die eine oder andere zeitung dazu zu bringen, daß sie eine berichtigung drucken, vorausgesetzt, daß die beteiligten des verfahrens dies forcieren.
Das geht nicht nur den Piraten so. Wie auch. Die meisten Medien in unserem Land (und anderswo) sind privatwirtschaftliche Betriebe, also abhängig von Konzernen, während die öffentlich-rechtlichen durch die Runfunkräte in der Kontrolle der grossen Parteien stehen.
Fazit: Wurde der Pirat in dieser Sache von der Piratenpartei unterstützt? Antwort: Nein. Gab es eine Pressekonferenz? Antwort: Nein. Wurde eine Pressemitteilung von den Piraten (zeitnah!) verschickt? Antwort: Nein, erst nachdem schon alle berichtet hatten. Bezogen sich alle auf eine DPA-Meldung und haben eventuell mal kurz selbst etwas recherchiert? Antwort: Ja. Damit ist auch das eigentliche Problem klar. Die Partei macht eine schlechte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Hallo Jürgen, leider liegst Du komplett falsch. Die Piratenpartei hat die Klage mit Manpower und finanziell unterstützt, es gab im letzten halben Jahr zum laufenden Prozess massenweise von der Presse auch übernommene Pressemitteilungen, googlen würde helfen. Unsere PM ging an DPA. Der Anwalt hat beim Prozess ein Statement vor Ort abgegeben, deshalb wurde zuerst seine Nachricht verbreitet. Die bayerische Pressesprecherin, Patrick Breyer, Harry Hensler und ich haben nach den ersten Veröffentlichungen die in Frage kommenden Journalisten persönlich kontaktiert, die meisten Zeitungen haben in ihrem laufenden Update die Angaben daraufhin hinzugefügt. Fragen hilft, frag einfach uns, wir waren dabei. Informieren ist möglich!
Hallo Jürgen,
schön das du dich hier meldest, ich kläre dich gerne über den Sachverhalt auf da du offensichlich nicht ganz auf dem laufenden bist:
Der Prozess wird mit personeller und finanzieller Unterstützung der Partei geführt – die Anwaltskosten z.B. sind bei so einer Sache bekanntlich horrend.
Es gab vor, direkt nach der Veröffentlichung seitens des EuGH und auch danach mehrere PMs der Bundespresse. Einfach mal googlen würde helfen.
Mag sein das einige sich auf eine dpa-Meldung bezogen haben, aber dann hätten Sie viele oder auch alle Inhalte, die sich auf die Partei bezogen, rausgestrichen.
Also DAS würde ich dann ein klares Muster nennen. Du nicht?
Danke Sperling, für diese Analyse.
Es ist wirklich schwer zu verstehen ob und wenn ja, welche Motivation dahintersteckt.
Vielleicht haben wir einige Journalisten auch irgendwie vergrault?
Vielleicht passen wir auch nicht in ihr politisches Weltbild.
Keine Ahnung. Ich rätsle schon seit Jahren darüber.
Auch beim Thema NSA und Snowden wurden wir von der Presse kaum wahrgenommen.
Obwohl wir sehr viel getan haben und uns auch früh dazu über Pressemitteilungen und kreative Aktionen bemerkbar gemacht hatten.
Irgendwie verpufft alles an einer Art Firewall, die zwischen uns und den Bürgern steht.
Ich konzentriere mich deshalb mehr auf den direkten Kontakt.
Du weißt nicht, welche Motivation dahintersteckt? Also zur Beantwortung dieser Frage hätte ich einige Angebote:
Wer immer noch an freie Medien glaubt, möge sich den Pispers mal ‚reinziehen:
https://www.youtube.com/watch?v=uPvGtlYxv5U
Vorsicht – ziemlich derb. Ist halt Pispers. Die Kernaussagen kommen ganz am Ende…
@Sperling: Gute Analyse, guter Text.
Wer den Spiegel wie ein trotziger Verschwörungsblogger als „ehemaliges Nachrichtenmagazin“ tituliert, muss sich über mangelndes Interesse seitens der Presse nun wirklich nicht wundern. Wenn es eins gab, wo die Piratenpartei schon immer ganz groß war, dann war das ein katastrophaler und peinlicher Umgang mit der Presse.
Lt. Pispers ist der Spiegel heute die Bildzeitung für Abiturienten. Is
aber nur Satire - nich
wahr?Sogar Pispers vergisst nicht, auf die einigermaßen glorreiche Vergangenheit dieses Blattes hinzuweisen, als es Leute wie Augstein noch wagten, sich tatsächlich mit dem politischen Establishments, z.B. in der konkreten Ausprägung schwergewichtiger, bajuwarischer Landesfürsten anzulegen.
Welchen Umgang mit der Presse hättest du denn gerne? Applikation von Zäpfchen, wie das die anderen auch alle tun? Könnte ich meinen persönlichen Gelüsten freien Lauf lassen, MEIN Umgang mit der Presse wäre, in deinem Begriffsschema, noch sehr viel peinlicher. Aber als Mann im gesetzten Alter folge ich der Vernunft und respektiere die MACHT der Presse mit dem bösen (?) Hintergedanken ebendiese Macht zu brechen. Insofern gebe ich dir natürlich recht. Peinlichkeiten wie Sandalen in Talkshows sollten wir zukünftig vermeiden.
Ich habe auf Bundesparteitagen Tätlichkeiten und Beschimpfungen gegen Journalisten erlebt. Wenn man das ein bisschen einschränkt wär schon viel geholfen.
Und ein bisschen professionelle PR, so wie die anderen das auch tun, hätte vielleicht geholfen die Partei nicht in der absoluten Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen.
Ich war längere Zeit politischer Geschäftsführer auf kreisebene. Immer wenn wir versucht hatten ein zartes Pflänzchen gute PR bei der lokalen Presse zu pflanzen, kam irgend jemand und hat alles kaputt gemacht.
Hallo Nico,
das ist schlecht wenn dies so war, wirklich. Ich habe davon nichts mitbekommen, und ich kann von mir sagen das ich bei jedem BPT seit bingen war, ausser Bochum II. Und nicht als Gast/nomrales Mitglied und nicht nur in der Halle sondern Orga.
Wie bist du denn eingeschritten? Wo hast du das denn publik gemacht damit dagegen vorgegagen werden konnte? Was hat die Orga dann getan?
Sperling
Das war in Neumünster. Ein Fernsehteam hat während einer geheimen Abstimmung gedreht. Sofort kamen ein paar Wichtigtuer und haben mit körperlichen Einsatz den Dreh verhindert. Ich meine das war eine Interviewsituation und die haben das mit der Abstimmung gar nicht mitbekommen.
Ich habe nichts gemacht, weil genug andere zur Stelle waren um zu Schlichten.
Der Spiegel ist nun mal kein Nachrichtenmagazin mehr. Der Werteverfall im deutschen Journalismus ist gerade dort besonders gut erkennbar – Kampagnen gegen Ausländer, Muslime und Andersdenkende sind dort Usus.
Wenn ich vor zwanzig Jahren jemanden gesagt hätte, beim Spiegel in der Chefetage fängt einer aus der Chefetage der Bild an, hätte man mich sofort in die Psychatrie eingewiesen.
Deshalb passt ehemaliges Nachrichtenmagazin sogar sehr gut, so wie die SPD die ehemalige soziale Arbeiterpartei ist, oder die FDP die ehemalige Bürgerrechtspartei, oder die Grünen die ehemalige Friedenspartei.
Das mag ja deine persönliche Meinung sein, aber als Partei ist es strunzdumm sich mit der Presse anzulegen. Der kurze Erfolgsschub nach Berlin 2011 hat wohl bei vielen zu einer Selbstüberschätzung geführt. Ich erinnere mich noch an Sprüche wie „wir brauchen keine Presse, wir haben Twitter“. Naja wozu das geführt hat, sieht man ja jetzt.
Schön das du dich mit diesem Randbereich des Artikels beschäftigst. Hast du auch zum Inhalt etwas beizutragen?
Bist du anderer Meinung? Denkst du es wird neutral berichtet?
DAS wäre für alle hier interessant, wirklich!
Du maßt es dir an zu beurteilen, was richtig und was falsch gemacht wird in der Pressearbeit. Wer bist du um das zu beurteilen? Du stehst ja nicht mal mit deinem echten Namen hinter dem Artikel.
Warum nimmst du an, dass die Presse neutral zu berichten hat? Die mögen halt die Piraten aus nachvollziehbaren Gründen nicht, das lassen die euch bei jeder Gelegenheit deutlich spüren. Und dazu haben sie jedes Recht der Welt. Kein Journalist ist dazu verpflichtet neutral zu berichten.
Ok, also nichts zum Inhalt des Artikels, nur ad hominem. Ich mag dich trotzdem, Nico ohne Nachnamen 🙂
Wenn die presse echt uber die (Deutsche) Piraten schreiben wolle… dann hat sie Ffutter:
https://samedokan.wordpress.com/2013/09/02/klarmachen-zum-kentern/
https://samedokan.wordpress.com/2014/05/10/when-pirates-do-prefer-censorship/
https://samedokan.wordpress.com/2014/05/15/pirate-kiddies-playing-court-of-arbitration-for-buddies/
Be happy with the silencing tactic, while it works. May change because of Iceland ;).