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Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Manchmal ist das mit den Themen für die Kolumne schwierig. Da will mir partout nichts einfallen. Und dann gibt es Wochen wie diese, wo die Themen mir nur so zufliegen.
In dieser Woche gleich drei. Und da stellt sich dann die Frage, bekomme ich alle Themen verbunden, mache ich für jedes Thema was Eigenes oder mache ich nur ein Thema und lasse die anderen weg.
Die drei Themen im Überblick
- Ich war in der Apotheke, um ein Rezept einzulösen.
- In Berlin war die Innenministerkonferenz und die Piratenpartei war vor Ort.
- Und dann war doch noch eine Pressemitteilung der HNO-Ärzte.
Kann man die drei Themen tatsächlich verbinden? Wir werden sehen.
Um gewählt zu werden, muss man den WählerInnen Probleme aufzeigen und möglichst auch gleich Lösungen parat haben. Bisher ist die Piratenpartei dabei eher semigut. Jetzt war in Berlin die Innenministerkonferenz mit vielen Themen. So z.B. Gewalt bei Veranstaltungen wie dem CSD in Hannover. Innenminister sind aber noch für mehr Themen zuständig. So unter anderem für das Thema Chatkontrolle. Und deswegen war die Piratenpartei vor Ort.
Chatkontrolle
Die Piratenpartei war in Berlin, um darauf aufmerksam zu machen, was Chatkontrolle wirklich bedeutet.
https://twitter.com/D64eV/status/1668943208309563392
Leider war dieser Tweet, so weit ich das sehen kann, schon der größte mediale Erfolg. Die Umsetzung und Bildsprache finde ich persönlich gut. Der Erfolg ist aber bedauerlicherweise eher dürftig.
Ich habe bei mehreren News Aggregatoren gesucht. Selbst mit dem Suchbegriff „Piratenpartei“ wurde ich zumindest zu diesem Thema nicht fündig.
Stattdessen habe ich das gefunden.
Und das:
Das waren übrigens die Topergebnisse.
Pressemitteilung der HNO-Ärzte
Dabei handelt es sich um diese: https://www.hno-aerzte.de/presse/pressemitteilungen/details/unterfinanzierung-von-kinderoperationen-die-lage-spitzt-sich-zu/
Liest man die Pressemitteilung und hat eventuell noch im Gedächtnis, dass viele Kinderkrankenhäuser oder Kinderstationen geschlossen wurden, weil sie nicht wirtschaftlich sind, so kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die medizinische Versorgung für Kinder in Deutschland mindestens schwierig, wenn nicht sogar schlecht ist.
Und damit zu Thema drei.
Medikamentenmangel
Ich musste mich in den letzten 5 Wochen an beiden Augen einer sogenannten Kataraktoperation unterziehen. Das ist nichts Besonderes, sondern eher eine Fließbandoperation, die ambulant durchgeführt wird. Allerdings braucht man schon vor der Operation und vor allem danach Augentropfen. Die habe ich auch verschrieben bekommen und bei der ersten Operation habe ich die auch in der Apotheke problemlos bekommen. Nach der zweiten Operation hingegen gab es die Tropfen nicht mehr. Sie wären seit 2 Wochen nicht mehr lieferbar, auch die Salbe, mit demselben Wirkstoff, wäre nicht mehr verfügbar.
Ich hatte im Kopf, dass es mit einigen Medikamenten Lieferschwierigkeiten gab. Hauptsächlich Medikamente für Kinder! Dass ich selbst davon auch betroffen sein könnte, hat mich überrascht. Ein klein wenig Recherche und siehe da, es gibt sogar eine Liste mit allen Medikamenten, die nicht lieferbar sind. Und es sind nicht nur Kinder betroffen.
https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/_node.html
Prioritäten
Ich wäre kein Pirat, wenn ich das Thema Chatkontrolle nicht für wichtig halten würde. Aber war es den Aufwand wert, nach Berlin zu fahren? Gemessen an dem Ergebnis?
Wir wollen gewählt werden. Und dazu sollten wir auch die Themen in den Vordergrund stellen, die auch unsere WählerInnen in den Vordergrund stellen würden. Und ich glaube, Kinder stehen immer an erster Stelle.
Kinder sind die Zukunft, und die Politik muss die Zukunft sichern. Leider sieht die Realität völlig anders aus. 2024 ist Europawahl. Der Medikamentenmangel ist ein europäisches Problem. Die mangelhafte Situation was Kinderstationen oder Kinderkrankenhäuser anbetrifft, oder eben die Vergütung von Operationen von Kindern, ein deutsches Problem. Und was macht die Piratenpartei? Wo ist der weiße Kindersarg, der vor einer geschlossenen Kinderstation abgestellt wurde?
Wo sind unsere Aktionen dazu?
Ich kann keine entdecken.
Der Medikamentenmangel ist ein hausgemachtes Problem. Wo sind unsere Lösungen? Drei Themen, aber nur ein Thema haben wir für wichtig empfunden. Die beiden anderen nicht.
Und es gäbe noch viel mehr. Ein Beispiel:
Während der Coronapandemie ist aufgefallen, dass unsere Gesundheitsämter alles Mögliche sind, nur nicht digital. Faxe zur Kontaktaufnahme. Am Wochenende nicht besetzt. Jetzt ist die Pandemie vorbei, jedenfalls sagt die Regierung das. Wäre es dann nicht an der Zeit, nachzufragen, wie es denn jetzt aussieht? Ob es einen Plan gibt, die Ämter zu digitalisieren?
Wenn die Prämisse ist, dass wir den Wählern eine bessere Zukunft durch unsere Politik bieten wollen, müssen wir uns dann nicht auch mit Zukunftsthemen beschäftigen?
Chatkontrolle ist ohne Frage wichtig. Aber selbst bei mir kommt der Medikamentenmangel davor.
Als ich die Piratenpartei als die großartigste Partei Deutschlands bezeichnet habe (https://die-flaschenpost.de/2023/05/26/die-grossartigste-partei-deutschlands/),
da habe ich über einen Newsroom geschrieben, der Teil der Öffentlichkeitsarbeit sein könnte.
Es gibt allerdings noch etwas, was man dazu braucht.
Presseclipping
Damit wird bezeichnet, dass man relevante Informationen, in unserem Falle also alles, was mit Politik zu tun hat, sammelt. Ich mache das im ganz kleinen Rahmen z.B. für meine Kolumne, um Themen zu finden. Für die Partei ist das natürlich viel aufwendiger. Leider haben wir so etwas nicht in der Partei. Unsere Vorstände und Mandatsträger suchen sich ihre Themen und Informationen selbst raus. Das bindet sehr viel Arbeitszeit, die eigentlich für die Politik gebraucht wird.
Mit dem Presseclipping sammeln wir Informationen, kanalisieren sie, und legen ihre Priorität fest. Das ist ein täglicher Prozess. Und enttäuschenderweise findet er bei uns nicht statt. Ich finde es gut, dass wir zum Thema Chatkontrolle in Berlin waren, trotz der schlechten Resonanz. Aber es wird Zeit, dass wir Prioritäten setzen. Darüber hinaus müssen wir einfach mehr tun!
Das, was wir im Moment machen, ist viel zu wenig.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Parteien und Politiker sind doch zunehmend überfordert. Piraten und alle Parteien sollten mehr auf künstliche Intelligenz setzen, da kommt mehr bei rum. Dann gibt es in Zukunft wohl bessere Lösungen von der Maschine.