
Schreibmaschine
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Themen zu finden für eine Kolumne ist manchmal gar nicht so einfach. Über vieles habe ich schon geschrieben, über manches schreibe ich nicht, weil es nicht in die Öffentlichkeit gehört und manches, weil es mir zu trivial erscheint.
Und dann gibt es Themen, die liegen mir am Herzen. Nämlich unsere Öffentlichkeitsarbeit. Zuletzt erst thematisiert in dieser Kolumne:
Und davor hier:
Seitdem ist einiges an Zeit vergangen, doch geändert oder gar verbessert hat sich nichts. Nun halte ich mich nicht für unfehlbar oder gar allwissend. Und so versuche auch ich, mein Wissen in diesem Bereich ständig zu verbessern. Und dabei bin ich auf diesen, schon vier Jahre alten, Artikel gestoßen:
Ein absolut erstklassiger Artikel! Und er hat mich zum Nachdenken gebracht. Zum einen, stimme ich mit den Meinungen der anderen Parteien überein, oder nicht? Und wo sehe ich Dinge, die wir vielleicht machen könnten.
Um all das zu beantworten, werde ich etwas gründlicher als sonst sein, das heißt, diese Kolumne wird ein wenig länger.
Newsroom
Ich wusste schon vor dem Artikel, was ein Newsroom ist, nicht zuletzt deswegen, weil ich ein Fan der Fernsehserie „The Newsroom“ von Aron Sorkin bin. Und ich gebe zu, Will McAvoy ist genau so, wie ich mir einen Journalisten vorstelle. Er ist Mitglied einer Partei und trotzdem Journalist und kritisch auch seiner eigenen Partei gegenüber.
Aber der Beginn der Serie ist furios und genial. Und er kann mit nur wenig Änderungen auf die Piratenpartei und Deutschland geändert werden.
„Wir sind nicht das großartigste Land der Welt, das ist meine Antwort. Wir sind 7. in der Alphabetisierung, 27. in der Mathematik, 22. in der Wissenschaft, 49. in der Lebenserwartung, 178. in der Kindersterblichkeit, 3. im Durchschnittseinkommen, 4. in der Arbeitsbevölkerung und 4. bei den Exporten.
Wir führen die Welt nur in drei Kategorien an. In der Anzahl Menschen die in Gefängnissen sitzen, in der Anzahl Leuten die glauben Engel gibt es wirklich und in den Verteidigungsausgaben, wo wir mehr ausgeben als die nächsten 26 Länder zusammen, davon sind 25 unsere Alliierten.
Wenn sie fragen, was macht uns zum großartigsten Land der Welt, dann hab ich keine verdammte Ahnung, wovon sie reden. Wegen des Yosemite Nationalpark?
Es war einmal so. Wir standen für das, was richtig war. Wir kämpften für Gerechtigkeit. Wir verabschiedeten Gesetze aus moralischen Gründen. Wir kämpften gegen die Armut und nicht gegen die Armen. Wir opferten uns und kümmerten uns um unsere Nachbarn. Wir machten das, was wir sagten. Wir haben nicht damit geprahlt.
Wir haben tolle Sachen auf den modernsten technologischen Errungenschaften gebaut. Wir haben den Weltraum erforscht. Wir besiegten Krankheiten. Wir förderten der Welt besten Künstler und wir hatten mal der Welt beste Wirtschaft. Wir haben nach den Sternen gegriffen und handelten wie Männer. Wir strebten nach Intelligenz und haben sie nicht belächelt. Wir waren nicht so voller Angst wie jetzt.
Wir waren das alles und haben das alles gemacht, weil wir informiert waren. Durch großartige Menschen, die wir verehrt haben. Der erste Schritt, um ein Problem zu lösen, ist zu erkennen, dass es eins gibt. Amerika ist nicht mehr das großartigste Land der Welt.
Ich stelle es jedem frei, das Zitat auf Deutschland und die Piratenpartei anzupassen.
Viel Spaß!
Mit der Zeit
Nach den Anfangserfolgen der Partei, als sich der Hype gelegt hat, hätten sich Strukturen bilden müssen, es hätte eine Professionalisierung stattfinden müssen. Doch leider ist das nicht einmal ansatzweise in dem Maße geschehen, wie das erforderlich gewesen wäre. Selbst die Altparteien haben erkannt, wie wichtig Kommunikation und Medien sind. Wenn ich sehe, wie viele Menschen sie dafür beschäftigen, dann ist das schon beeindruckend. Dass wir da nicht mithalten können, ist klar. Aber es ist auch klar, dass wir etwas ändern müssen. In der Serie sagt Will McAvoy: Wissen sie, warum keiner die Liberalen mag? Weil sie verlieren. Wenn die Liberalen so verdammt schlau sind, warum verlieren sie dann jedes Mal?
Wenn ich statt Liberalen, Piratenpartei einsetze, dann haben wir genau den Ist-Zustand.
Es wird Zeit, dass wir etwas ändern. Tatsächlich ändern. Neue Gesichter, neue Ideen!
Brauchen wir einen Newsroom?
Die einfache Antwort ist: Ja, egal wie es dann am Ende tatsächlich heißen wird.
Wenn man den Newsroom als Zentrale ansieht, in der die Öffentlichkeitsarbeit zentral gesteuert wird. Die SPD z.B. möchte vermeiden, dass jemand denkt, sie würden Journalismus machen. Das ist witzig, da der SPD quasi die Madsack-Gruppe gehört.
Aber die SPD hat Angst, dass jemand denkt, sie würde sich wie die AFD verhalten und Nachrichten an der Presse/den Journalisten vorbei transportieren. Deswegen nennt sie das Ganze nicht mehr Newsroom, sondern digitale Plattformen. Nun haben wir dieses Problem nicht. Denn die Piratenpartei wird großzügig sowohl vom ÖRR als auch von der gesamten privaten Presse ignoriert. Dazu kommt, dass wir offenbar erwarten, dass alle Welt zu uns kommt, immerhin sind wir ja die wichtigste und beste Partei Deutschlands. Auf die Idee, dass es nicht so ist, ist offenbar bisher noch niemand gekommen. In einem Newsroom sammeln wir die Ereignisse des Tages, legen fest, was für uns wichtig ist. Wir reagieren auf tagespolitische Ereignisse, Beschlüsse der Parteitage etc. Wir legen fest, wie wir etwas verlautbaren. Ob wir eine Pressekonferenz oder nur eine PM machen. Dort legen wir die Themen der Webseiten fest, erstellen Seiten unserer Mandatsträger und berichten über Ihre Arbeit. Auch Themenseiten, wie die Flaschenpost oder der Ideenkopierer z.B. gehören da dazu. Und natürlich ist der Newsroom auch für die vielen Social-Media-Kanäle verantwortlich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, sich um Verbände, Vereine und NGOs zu kümmern. Das ist eigentlich Aufgabe der politischen Geschäftsführer, aber solange ich in der Partei bin, hat das noch kein PolGF gemacht. Und leider merkt man das auch sehr deutlich. Denn wir lassen hier Unmengen an Dynamik, Wissen und Informationen liegen. Vor noch nicht allzu langer Zeit war das Wort Vernetzung in aller Munde. Aber unsere Vernetzung liegt bei beinahe null. Und genau aus diesem Grund finden wir auch außerhalb der Piratenbubble nicht statt. Deswegen heißt es noch immer: Ach, euch gibt es noch?
Wir halten an Methoden fest, die ganz offensichtlich nicht funktionieren. Die Aussage, das haben wir schon immer gemacht, ist unser Untergang. In der Folge von The Newsroom sagt Will McAvoy:
Der erste Schritt, um ein Problem zu lösen, ist zu erkennen, dass es eins gibt. Amerika ist nicht mehr das großartigste Land der Welt.
Ich sage: Der erste Schritt, um ein Problem zu lösen, ist zu erkennen, dass es eins gibt. Die Piratenpartei ist nicht mehr die großartigste Partei Deutschlands.
Die Flaschenpost
Welche Rolle spielt die Flaschenpost dabei? Sie ist nicht ein normales Presseerzeugnis. Sie wird immer zur Piratenpartei gehören. Aber sie kann trotzdem journalistische Arbeit leisten. Und da sie unabhängig ist, ist sie in der Lage, nicht nur andere Parteien kritisch zu betrachten, sondern auch uns selbst. Sie kann Themen aufgreifen, Thesen aufstellen, auch schon mal provozieren. Und anders als viele Politiker wahren wir dabei Anstand und Respekt. Die Flaschenpost ist eines der Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit, sie ist nicht ihr Gegner.
Webseiten
Sie sind bisher nicht Bestandteil unserer Öffentlichkeitsarbeit. Sie werden weder zentral gesteuert, noch gibt es Vorgaben, welche Inhalte sie haben sollten und wie der Traffic gesteuert wird. Es gibt keine Themenseiten, oder wenn, dann nur aufgrund von persönlicher Initiative wie z.B. der Ideenkopierer.de
Die meisten Seiten werden wie ein Blog geführt. Das kann man natürlich machen. Aber wir präsentieren kaum unsere Mandatsträger, was sie machen oder planen.
Keine Präsentation der Partei, unserer Ziele, nichts. Webseiten sind die Stiefkinder der Partei. Das liegt auch daran, dass jeder bei uns glaubt, er wüsste alles, was damit zusammenhängt. Leider ist das nicht so, wie man unschwer an unseren Wahlergebnissen sehen kann. Auch hier gilt, weg mit den alten Zöpfen. Her mit was Neuem. Mit Ideen, einem Plan, einer Vision. Webseiten sind zu 100 % unter unserer Kontrolle. Niemand kann uns etwas vorschreiben. Und was machen wir? Nichts!
Medien und der Umgang mit Ihnen
In dem anfangs erwähnten Artikel hat nur die AFD einen Newsroom. Und genau aus diesem Grund nennt keiner der anderen Parteien seine entsprechenden Einrichtungen so. Ich teile diese Einstellung nicht. Außerdem wollen alle nicht an der Presse vorbeiarbeiten. Ich sehe das anders, denn die Presse interessiert sich einen Scheiß für das, was die Parteien wollen. Das wissen wir spätestens, seitdem wir wissen, welche Anweisungen Mathias Döpfner im Axel-Springer-Verlag bezüglich der FDP gegeben hat.
Und der ÖRR behauptet, er kann die kleinen Parteien ignorieren und behauptet, das wäre vom Parteiengesetz Paragraf 5 gedeckt.
Allerdings hat der ÖRR einen ganz klaren Auftrag. In Paragraf 11 ist der sehr klar definiert.
Bedauerlicherweise halten sie sich nach meiner Meinung nicht daran. Und dann stellt sich schon die Frage, warum sollten wir nicht unsere eigenen Sendungen, Nachrichten machen?
Fazit
Irgendwann zwischen 2006 und jetzt haben wir unseren Mumm verloren, unseren Esprit, unsere Visionen. Da sind Politiker, die Lügen wie gedruckt, und wir, wir sagen nichts. Wir haben keinen Mut mehr. Alles, was die Piraten einmal ausgemacht hat, ist nicht mehr da. Und deswegen verlieren wir. Ein Fernsehmoderator und Wettermann, Jörg Kachelmann, hat mehr Mumm als wir. Er sagt, was er denkt. Und wir, wir wissen, dass Politiker lügen, wir wissen, dass sie dummes Zeug reden. Aber wir schaffen es nicht, dass wir in den Medien auftauchen.
Eine 28-Jährige der Linken macht uns vor, wie es geht.
Wieso können wir das nicht?
Einer unserer Slogans lautet: Klarmachen zum Ändern!
Das sollte auch für die Öffentlichkeitsarbeit gelten.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Zunächst einmal scheint es mir bei dem o.a. beschriebenen Stillstand nebst der Unfähigkeit, professionell zu arbeiten, um ein hausgemachtes Problem zu gehen.
Wenn nach jeder BuVo-Wahl die ganze Partei umgegraben wird, kann sich keine arbeitsfähige Struktur bilden. Sogenannte Beauftragungen sind eher ein Himmelfahrtskommando mit Wohlverhaltens-GO, das oftmals zu „Degradierung“ führt und zum entsprechenden Reputationsverlust des Protagonisten.
Daher ist es am besten für ein Mitglied (oder Sympathisanten) der Piratenpartei Deutschland, sich möglichst aus allem rauszuhalten oder fast ausschließlich in seiner eigenen Struktur zu arbeiten – zumindest kann einem dann kein seltsamer Admin einfach die Rechte entziehen, weil die Nase nicht mehr passt.
Es muss inzwischen eine lange Liste mit „Persona non grata“ geben.
Einer der Schattenmänner in der Partei provoziert seit Jahren massiv und spricht öffentlich von einem (angeblichen) Krieg in dieser Partei.
Wer hätte denn an einem solchen Krieg Interesse, anstatt politisch wirksam zu arbeiten? Aus der „Kriegstreiberecke“ kommt selten Programmatik, allenfalls Blockaden oder die Fütterung von eigenen Bubbles, die kollaborativ ad Hominem wirken, weil die Nase nicht passt.
Selten wird einmal ein Konflikt in der Öffentlichkeit ausgetragen, wie diesen unsäglichen Diskussionen zu den „Klimaklebern“, die ja neuerdings eine „kriminelle Vereinigung“ sein sollen und sie in langjährige Haftstrafen verwünscht. Wegsperren hat schon immer geholfen. Diese Gesinnung ist allenfalls entlarvend und sollte allen eine Warnung sein.
So ein „Newsroom“ könnte eine gute Idee sein. Aber wer will den denn täglich betreuen? Ich kuratiere seit einigen Jahren eine Tageszeitung und weiß, wie viel Arbeit da drinsteckt.
Und abgesehen davon, besteht die Gefahr, dass zum wiederholten Male die Technik „überraschend versagt“, notwendige Backups unterbleiben und Zugänge wieder nach Nasenfaktor vergeben bzw. entzogen werden.
Solange es keine echten demokratischen Strukturen auf der Arbeitsebene gibt, wird sich das gleiche Spiel spätestens nach einer BuVo-Wahl wiederholen.
Die Flaschenpost mag ja willig sein, aber wie viele Autoren schreiben hier in der Woche? Die Beantwortung dieser Frage klärt über die Umstände auf. 😉