Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Auf X (ehemals Twitter) habe ich einen interessanten Tweet entdeckt. Da wird die Partei kritisiert. Kaum ist das passiert, meldet sich jemand, der das in Bausch und Bogen verdammt, weil das unsere Wahlchancen zur Europawahl schmälert. Im Prinzip geht das eine Weile so hin und her und schaukelt sich bei der Gelegenheit auch noch gleich mit auf.
Das habe ich zum Anlass genommen, einmal über Kritik nachzudenken. Immerhin haben ja kritische Aussagen in der Flaschenpost dazu geführt, dass die Flaschenpost abgeschaltet wurde.
Kritik, was ist das überhaupt?
Kritik, das ist, wenn man etwas bemängelt, moniert, eben kritisiert. Es ist ein Vorgang, eine Handlung oder Vorgehensweise, die man als fehlerhaft erkannt hat. Kritik ist also das Aufzeigen von Fehlern.
Und wer mag es schon, wenn man bei Fehlern erwischt wird? Das war schon in der Schule unangenehm, wenn man vorne an der Tafel etwas vorrechnen sollte, und es dann nicht hinbekommen hat. Und so ähnlich ist das wohl, wenn man auf X oder eben in der Flaschenpost kritisiert wird. Natürlich hat die Flaschenpost bei weitem nicht die Reichweite wie X, aber zumindest viele Piraten lesen uns. Also ist Kritik bei uns für den Kritisierten unangenehm.
Muss man überhaupt kritisieren?
Die Antwort darauf ist einfach. Sie lautet: Ja!
Stellt sich die Frage nach dem Warum?
Weil Fehler normal sind, man aber aus Fehlern lernen muss, um sie nicht zu wiederholen. Dazu muss man aber wissen, dass man einen Fehler gemacht hat. Und das wiederum geht nur, wenn man eben Kritik äußert.
Wann sollte man kritisieren?
Da gehen die Meinungen schon auseinander. Aber in der Regel ist der frühestmögliche Zeitpunkt der beste. Der Fehler ist noch frisch, die Nachvollziehbarkeit bei allen noch hoch. Manchmal allerdings ist es besser, zu warten. Denn nicht immer hat man alle Fakten zur Hand, gibt es eventuell Dinge, die man noch nicht weiß. Informationen explodieren heutzutage quasi in Echtzeit. Sie sind aber längst nicht immer vollständig oder wahrheitsgemäß. Schon deswegen empfiehlt es sich manchmal zu warten.
Wie sollte Kritik aussehen, bzw. was ist Kritik und was nicht?
Wenn ich einen Künstler mit Adolf Hitler vergleiche, dann ist das keine Kritik! Es beinhaltet kein Sachargument, keinen Fehler, den man korrigieren könnte. Es ist einfach nur ein Vergleich, um den anderen zu diskreditieren.
Das gilt natürlich auch, wenn man gleich ganze Gruppen als Täter bezeichnet. Täter ist im Deutschen das Synonym für Straftäter. Also ein Krimineller. Und wieder kein Sachargument, sondern nur der Versuch, einen oder mehrere zu diskreditieren.
Wer Kritik Hetze nennt, kriminalisiert den Kritiker. Denn Hetze ist strafbar. Auch das ist kein Sachargument.
Da hilft auch der Hinweis, dass man das nicht strafrechtlich meinte, nicht!
Wenn gesagt wird, eine Kritik wäre schlecht recherchiert, dann sollte man das auch nachweisen können. Ansonsten ist es nur eine Behauptung.
Bedauerlicherweise gibt es eine relativ große Gruppe in der Piratenpartei, die genau so verfährt. Das Tolerieren solcher Vorgehensweisen bedeutet übrigens, dass man sich diese Vorgehensweise zu eigen macht.
Wenn ich aber darauf hinweise, dass mehrere Piraten zur Gamescom gefahren sind, und ich zum einen weder wirklich zählbare und greifbare Ergebnisse sehen kann, noch einen anderen Nutzen, und ich deswegen den Nutzen bezweifele, dann ist das eine berechtigte und sachliche Kritik. Es wurde ein Budget von 1500 € an Reisekosten dafür beantragt. Das ist relativ viel Geld, für das die Partei ziemlich viel Werbematerial kaufen könnte. Das heißt, es ist legitim, nach dem Kosten-Nutzen-Effekt zu fragen und einen Nachweis zu fordern. Allerdings ist das nicht das erste Mal, dass wir zur Gamescom gefahren sind. Und ich habe auch schon die vorherigen Besuche kritisiert, weil ich auch da schon den Nutzen nicht gesehen habe. Und auch damals wurde der Nachweis des Nutzens für die Piratenpartei schuldig geblieben.
Ich habe also in diesem ganz konkreten Fall, völlig sachlich, ohne jemand anzugreifen, zu diskreditieren, diffamieren oder gar zu kriminalisieren, eine Kritik geäußert.
Und trotzdem kann ich eine Wette abschließen, was wieder passieren wird.
Wer genauer wissen will, wie Kritik so aussehen sollte bzw. auch nicht, der sollte sich das hier ansehen. Hier haben sich Leute lange und sehr ausführlich mit dem Thema beschäftigt.
https://karrierebibel.de/konstruktive-kritik/
Extern oder intern?
Kritik, die öffentlich zugänglich ist, erweckt spätestens mit der ersten Antwort den Eindruck, als wenn man sich streitet. Ich bin kein Fan davon. Das Problem ist, die internen Möglichkeiten sind vergleichsweise begrenzt und werden von Menschen dominiert, mit denen niemand, der halbwegs bei Verstand ist, diskutiert. Dass es solche Menschen überhaupt in unserer Partei gibt, dass sie völlig ungestraft, agieren können, finde ich schon per se erschreckend. Was also wäre die Konsequenz? Keine Kritik, um des lieben Friedens willen?
Das wurde jahrelang so gemacht. Und es hat die Partei, wie es scheint, immer näher an den Abgrund gebracht. Vielleicht ist es ja an der Zeit, einmal Ross und Reiter zu nennen. Fehler klar auszusprechen und die Verantwortlichen dazu. Aus Fehlern soll man lernen. Aber jahrelang dieselben Fehler zu machen bedeutet, man ist lernresistent! Und von solchen Leuten sollte man sich trennen bzw. sie nicht wieder wählen.
Eine Kritik analysiert
Am 28. Juni habe ich einen Artikel veröffentlicht: https://die-flaschenpost.de/2023/06/28/pleiten-pech-und-pannen-der-bpt-23-1/
Dort habe ich jede Menge Kritik geäußert. Vor allem über den Veranstaltungsort, aber auch über dort stattgefundene Politik.
Während ich das noch Beeinflussungsversuch durch Neumitgliederaufnahme genannt habe, hat ein anderer Pirat das in nur ein Wort gepackt. Ich persönlich finde das Wort sehr abwertend, aber leider zutreffend. Ein Gericht sah das übrigens genauso.
Viel wichtiger finde ich, was aus dieser Kritik hätte resultieren können im Vergleich zu dem, was dann tatsächlich passiert ist. Es wurde versucht, Anne Herpertz auf den ersten Listenplatz zu bringen, mit, das muss man dazu erwähnen, zumindest im Moment noch legalen Mitteln. Das ist fehlgeschlagen. Als die Entscheidung denkbar knapp anders ausfiel, sind angeblich sogar ein paar Tränen geflossen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, verstehen könnte ich es aber.
Resultiert ist aus dieser Kritik, wenn man es genau nimmt, die Abschaltung der Flaschenpost. Zumindest der enge zeitliche Zusammenhang in Verbindung mit der Tatsache, dass dafür keine nachvollziehbaren inhaltlichen Argumente erklärt wurden, legt dies nahe. Sinnvoller wäre etwas anderes gewesen!
Sich vor die Partei zu stellen und zu sagen: Ok, es hat nicht geklappt, ich bin nur Zweite geworden. Dafür legen wir jetzt einen Wahlkampf hin, wie ihn die Piratenpartei noch nie gesehen hat, und sorgen so dafür, dass sogar die ersten drei in das Europäische Parlament einziehen. Das wäre etwas gewesen, das hätte die Herzen der Piraten gebracht. In der Niederlage Größe zeigen. Eine Niederlage als Motivation nutzen! Zu dritt durch Deutschland reisen. Mit den Neumitgliedern einen Wahlkampf hinlegen vom Feinsten!
Das wäre alles möglich gewesen!
Gewesen?
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Wem die Kritik nicht gefällt der muss halt die Kritiker kritisieren und gute Argumente liefern statt abzuschalten….
Gerade Piraten als Partei der Meinungsfreiheit sollten das unbedingt achten und nur Kandidaten wählen die das respektieren.