Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Was ist das überhaupt, vor allem im Hinblick auf eine Partei? Was muss man tun, beachten, und wo können wir uns verbessern?
Einen ersten Überblick kann man sich z.B. in der Wikipedia verschaffen [1]. Leider ist auch in der Wikipedia der Blick eher auf die Wirtschaft konzentriert. Zwar wird die Politik erwähnt, aber eine Betrachtung im Hinblick auf Parteien fehlt.
Interessanterweise hat ausgerechnet die Partei „Die Linke“ eine, wie ich persönlich finde, sehr gute Beschreibung der Öffentlichkeitsarbeit einer Partei abgeliefert [2].
So spricht mir z.B. folgender Text aus tiefster Seele:
Eine Homepage ist das Aushängeschild der Partei vor Ort. Hier muss kontinuierlich professionelle Arbeit investiert werden. Wichtig ist, dass die Seite auch als Teil der Partei erkennbar ist – anhand der Gestaltung (siehe einheitliches Erscheinungsbild) und anhand der Domain (nach dem Muster: www.die-linke-musterhausen.de).
Ersetzt man hier „die-linke“ durch Piratenpartei, perfekt.
Aber am schönsten finde ich diesen Hinweis:
1.3 Internet
Die Präsenz im Internet ist unerlässlich, um kostengünstig und schnell Informationen zu verbreiten, die nicht durch andere Anbieter/innen oder Journalist/inn/en verzerrt werden.
Eure Internetadresse sollte auf Euren Publikationen, bei Infoständen etc. vorhanden und gut zu lesen sein. Schließlich müssen Interessierte erst mal erfahren, dass und wo Ihr im Internet zu finden seid. Auch auf längere Texte oder Zusatzinformationen lässt sich auf diese Weise leicht verweisen.
Natürlich habe ich das ja bereits selber in verschiedenen Artikeln thematisiert. So z. B. hier [3], oder hier [4] und zuletzt erst mit dem Artikel Wahlen [5] in der letzten Woche. Bedauerlicherweise zeigen unsere letzten Wahlergebnisse doch recht deutlich, dass wir hier noch immer ein ganz klares Defizit haben.
Was also machen wir falsch?
Analyse
Ein Problem ist sicher die Fehleinschätzung der verschiedenen Medien und Ihrer Bedeutung. So lag die Zahl der Internetnutzer in Deutschland im Jahr 2020 und 21 bei ca. 66 Millionen Usern. Gezählt wurde ab 14 Jahren [6].
Nehmen wir an, dass mindestens die Hälfte davon auch wahlberechtigt sind, dann wären das ca. 33 Millionen potenzielle Wähler. Das ist ein vergleichsweise riesiges Feld. Kein Printmedium kommt dem auch nur annähernd gleich.
Die Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook oder Instagram sind nur Untermengen des Internets, sehr spezifisch und wesentlich kleiner.
1,4 Millionen Nutzer hat Twitter, immerhin 10 Millionen hat Facebook, während es Instagram auf 11 Millionen schafft.
Dagegen benutzen 77 % der deutschen Internetnutzer YouTube im Monat. Das sind mehr als 50 Millionen Nutzer nur in Deutschland.
Und wir?
Wir haben etwa 6330 Nutzer auf YouTube (Stand 19.05.2022), 164k Follower auf Twitter und 66k Follower auf Facebook. Das sind im Vergleich winzige Zahlen. Diese Zahlen decken sich ziemlich gut mit unseren Wahlergebnissen. Das vorhandene Potenzial von 66 Millionen Menschen wird einfach nicht genutzt.
Printmedien verlieren immer mehr an Bedeutung. Sind nicht unvoreingenommen und nur selten wirklich objektiv. Zwar glaube ich, dass Pressemeldungen noch immer ihren Sinn haben, aber auch hier sehe ich die Bedeutung stark schwinden.
Was können wir tun?
Einer meiner stärksten Artikel ist wieder erwarten nicht ein Artikel, der sich in irgendeiner Weise mit der Piratenpartei befasst, sondern ein Interview. Ein Interview mit einem Thema völlig außerhalb der Piratenbubble [7]. Und ein zweites Interview, das in eine vergleichbare Richtung geht, hat schon nach einem Tag vergleichbare Werte.
Hier wird klar, wir sind viel zu sehr auf uns fixiert. Die Pandemie hat uns Unmengen an Themen gebracht, aber wir sind nicht in der Lage, sie zu nutzen. Dazu kommt, dass wir meines Erachtens ganze Wählergruppen, z.B. die über 60-Jährigen fast völlig ignorieren. Als Beispiel sei die Sterbehilfe genannt. Etwas, das ich sogar schon vor meiner Zeit in der Flaschenpost thematisiert habe [8].
Ich vermisse Aktionen wie das Bestreiken der Deutschen Bahn, um auf die Situation von Rollstuhlfahren hinzuweisen. Und ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass wir nur noch sehr wenige sind. Aber Dinge, die von uns ausgehen, gibt es einfach viel zu wenige. Einzige positive Ausnahme ist Patrick Breyer. Aber sonst herrscht Schweigen im Walde.
Es wird gestreikt in den Krankenhäusern. Weder die Medien noch die Politik verliert ein Wort darüber. Wir leider auch nicht wahrnehmbar (abgesehen vielleicht von Tweets). Und auch bei den Themen, wo wir ja wirklich Expertise haben, kommt nichts. So zum Beispiel die Kartenlesegeräte in den Arztpraxen, die zwar super teuer sind, aber nicht geerdet sind und deswegen, wenn eine Krankenkarte statisch aufgeladen ist, abstürzen.
Alleine der Gesundheitsbereich bietet Unmengen an Themen, die wir nutzen könnten. Wo wir Menschen mobilisieren könnten. Nur bedauerlicherweise passiert nichts. Ich glaube, dass wir erst dann wieder Erfolg haben werden, wenn wir es schaffen, Themen in den Focus zu rücken. Demos sind dabei ein gangbarer Weg, aber auch Einzelaktionen eben z.B. gegen die DB.
Und wir müssen endlich was mit unserem Verständnis machen, wie wir uns im Internet verhalten. Social Media ist eben nur eine Teilmenge. Die ganzen Nichtwähler sind im Internet. Wir haben Seiten wie die http://www.ideenkopierer.de/ die in einem Landesverband versauert und dort nicht gepflegt wird.
Ich halte es außerdem für sehr sinnvoll, von dem Gedanken wegzukommen, dass es zwingend ein Alleinstellungsmerkmal braucht, oder dass wir uns keine Fehler leisten dürfen.
Ein Sprichwort sagt: Wo gehobelt wird, da fallen Späne.
Wir werden Fehler machen, auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Deswegen geht die Welt nicht unter. Aber Nichtstun, das wird uns ganz sicher nicht voranbringen.
Fazit
Es gab bereits 2020 einen Versuch, die Öffentlichkeitsarbeit zu reformieren. Ich fand die Arbeit dazu sehr interessant und sie war zumindest deutlich moderner als das, was wir jetzt haben. Auch dort wurde das Internet noch vergleichsweise stiefmütterlich behandelt, aber es wäre trotzdem schon eine Verbesserung gewesen.
2024 finden 11 innerdeutsche Wahlen statt und die Europawahl. Bis dahin müssen wir es schaffen, unsere Öffentlichkeitsarbeit so zu gestalten, dass wir auch Menschen erreichen. Und nicht nur Menschen, die uns sowieso wählen.
Und wir sollten uns überlegen, wie wir YouTube sinnvoll nutzen. Da sind wir quasi nicht existent. Dabei hat Rezo es vorgemacht. Und warum sollten wir das nicht auch können?
Wir sind die Internetpartei, nicht die Social Media Partei und können auch YouTube. Wir müssen nur wollen.
Ullrich Slusarczyk
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlichkeitsarbeit
[2] https://archiv2017.die-linke.de/service/roter-ordner/1-oeffentlichkeitsarbeit/
[4] https://die-flaschenpost.de/2022/01/28/das-internet-ist-fuer-uns-alle-neuland/
[5] https://die-flaschenpost.de/2022/05/13/wahlen/
[7] https://die-flaschenpost.de/2022/03/27/interview-peggys-gedankenwerkstatt/
[8] https://die-flaschenpost.de/2021/04/06/auf-leben-und-tod/
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.